Ein Gespräch mit Rudolf Müller, ­einem Betroffenen einer Polizeirazzia gegen antifaschistische Ultras

»Schulterschluss mit ­linksradikalen Gruppen«

Am 16. Dezember 2019 durchsuchte die Polizei 19 Wohnungen in Hessen, Niedersachsen und Bremen. In Medien war von einem Schlag gegen die Bremer Ultra-Szene die Rede. Rudolf Müller*, einer der Betroffenen, hat mit der Jungle World gesprochen.
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Was war der Grund für die Razzia?

Hier wurden zwei völlig unterschiedliche Vorfälle von der Polizei zusammengebracht. Zum einen ging es um eine Auseinandersetzung nach einem Heimspiel von Werder Bremen, bei der am 23. November zwei Schalke-Fans von einer unbekannten Gruppe Werder-Fans vor dem Stadion attackiert und verletzt wurden. Der andere Vorfall ereignete sich am 5. Oktober. An dem Samstagabend war eine Gruppe extrem rechter Hooligans im linksalternativen Bremer »Viertel« in Kneipen unterwegs. Diese Gruppe trat damals seit kurzer Zeit unter dem Namen »Phalanx 18« öffentlich auf. Sie wollte am 9. November, zum Jahrestag der Pogrome gegen Juden im Nationalsozialismus, ein Konzert mit rechten Bands organisieren. Die Rechten wurden von einer größeren Gruppe unbekannter Personen in der Bremer Innenstadt attackiert. Diese antifaschistische Aktion war der zweite Grund für die Razzien.

In der Regionalpresse war von einem Schlag gegen die Werder-Ultraszene die Rede. Was zeichnet diese Szene aus?

Im Vergleich zu den meisten Ultraszenen in den deutschen Fußballligen zeichnet sich die Szene in Bremen durch starkes antifaschistisches und antirassistisches Engagement aus. Doch das war nicht immer so. In den achtziger und neunziger Jahren war Bremen eine Hochburg rechter Fußballgewalt. Gruppen mit Namen wie »Standarte Bremen« und »City Warriors« waren in der gesamten BRD bekannt und berüchtigt. Auch die Strukturen von »Gemeinsam Stark«, einem Sammelbecken aus Hooligans, Nazis, Straßenschlägern und Rockern, das die Demonstrationen und Kundgebungen von »Hooligans gegen Salafisten« organisierten, stammten maßgeblich aus Bremen.

Gibt es heutzutage noch extreme Rechte in der Bremer Fanszene?

Bei einem Blick in die Bremer Fankurve scheint von der einstmaligen Herrschaft der Nazis in und um das Weserstadion nichts geblieben zu sein. Mittlerweile sind dort regelmäßig Spruchbänder mit Aufrufen zu Antifa-Demos, für die Abschaffung des Paragraphen 219a oder Choreographien für Rojava zu sehen. Auch die Atmosphäre in der Ostkurve, dem Standort der Ultras, unterscheidet sich spürbar von der in den meisten anderen Bundesligastadien. Es gibt kaum Pöbeleien gegen die Gäste oder den Schiedsrichter. Doch so leicht ließen sich die extrem rechten Hooligans nicht von ihrer alten Wirkungsstätte vertreiben. So tauchten immer wieder führende Angehörige der rechten Szene bei Spielen im Weserstadion auf.

Wie reagieren die von der Razzia Betroffenen?

Ob sich alle juristisch zur Wehr setzen wollen, können wir leider nicht sagen. Aber eine Reihe von Personen, die Opfer der Razzien wurden, sind mit der Grün-Weißen-Hilfe, einer Antirepressionsgruppe aus der Fanszene, sowie deren Anwälten und dem Bremer Ermittlungsausschuss im Kontakt. Auch wurde der weitere Schulterschluss mit linksradikalen Gruppen der Stadt gesucht, um den Betroffenen gemeinsam solidarisch zur Seite zu stehen und auch politisch auf diese Entwicklungen zu antworten.

Wie sieht die Solidarität praktisch aus?

Als erstes Beispiel können wir hier die Demonstration gegen Repression und Überwachung nennen, die am 22. Februar nach dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund gemeinsam mit Linksradikalen und Ultras in Bremen veranstaltet wurde. Etwa 400 Menschen beteiligten sich.

* Name von der Redaktion geändert