Ein Regime wählt sich selbst
Ernsthaft hat niemand erwartet, dass die Parlamentswahl im Iran vom Freitag vergangener Woche eine Überraschung bringen würde – und das hat sie auch nicht. Dem Anschein nach ist das Regime sogar glimpflich davongekommen. Die Wahlbeteiligung war zwar niedriger denn je in der Islamischen Republik, aber man tut einfach so, als sei das alles ein riesiger Erfolg. Aus der Perspektive des innersten Machtzirkels um den Obersten Führer Ali Khamenei scheint das ja auch der Fall zu sein: Seine direkten Unterstützer haben einen in der Tat überwältigenden Sieg errungen, de facto sind sie im neuen Parlament fast unter sich.
In Teheran konnten die besonders linientreuen »Prinzipialisten« alle 30 Parlamentssitze des dortigen Wahlkreises gewinnen. Die Hauptstadt wies allerdings die niedrigste Wahlbeteiligung im Land auf, nach offiziellen Angaben hat dort nur ein Viertel der Wahlberechtigten gewählt. Dabei hatte man noch am Wahltag das Ende der Stimmabgabe um sechs Stunden herausgezögert. Damit ist diese Wahl genau nicht zu dem geworden, als das Khamenei sie zuvor beschworen hatte: ein Zeichen der Stärke des Iran. Ein »starkes Parlament«, von dem Khamenei fabulierte, ist in den Machtstrukturen der Islamischen Republik gar nicht vorgesehen. Das neue Parlament ist in seiner Geschlossenheit geradezu ein Zeichen der Schwäche und des Niedergangs. Die Rolle der »Reformer« und »Moderaten« war es ja immer, die Hoffnung auf einen allmählichen Wandel zu erhalten und Pluralität vorzutäuschen. Diese einst wichtige Fraktion hat im System der Islamischen Republik keine Bedeutung mehr.
So machtlos und systemtreu die Unterstützer des »moderaten« Präsidenten Hassan Rohani auch immer waren, das Regime hat in seiner fundamentalen Krise den Entschluss gefasst, die Reihen fest zu schließen. Noch nie war die Zahl der nicht zugelassenen Kandidaten so hoch wie diesmal, allein 90 der 290 Abgeordneten durften sich nicht zur Wiederwahl stellen. Dabei hatten die »Reformer« zuletzt noch einmal deutlich gemacht, wes Geistes Kind sie sind: Ließ die so offensichtlich manipulative Kandidatenauslese sogar erste leise Drohungen mit Boykottaufrufen bei den »Reformern« aufkommen, während Rohani anfangs warnte, wenn nur noch Kandidaten einer Partei zur Wahl stünden, sei das keine Wahl mehr, rief man zum Schluss brav zur Wahlteilnahme auf. Auch Rohani ließ sich beim Einwerfen eines Wahlzettels fotografieren, auf dem vor allem solche Kandidaten zur Auswahl standen, die ihn in seinen letzten verbleibenden Monaten im Amt noch einflussloser machen werden, als das ohnehin schon der Fall ist.
Es bleibt nur noch die Wahl eines entsprechenden Hardliners zum Präsidenten im kommenden Jahr, wofür allein schon die Auswahl der Kandidaten durch den Expertenrat sorgen könnte, und die Transformation der Islamischen Republik Iran zu einer offenen Diktatur ist vollendet. Die Herrschaft des Obersten Führers Ali Khamenei und der Revolutionsgarden zeigt sich immer unverhüllter, während die soziale Basis des Establishments kleiner wird. Die Belastbarkeit und vergleichsweise hohe Flexibilität der Islamischen Republik Iran war der Existenz konkurrierender Machtzentren geschuldet, die miteinander Kompromisse schließen mussten. Damit scheint es nun vorbei zu sein.