Aufstieg und Fall von Diego Maradona

Abriss einer Ikone

Diego Maradona ist heute eine Mischung aus Fußballgott, Mafiaonkel und Trash-Promi. Ein Dokumentarfilm zeigt, wie er zum Idol wurde und daran zerbrach.

Diego Maradona! Ein Mann, den die später Geborenen unter uns nur noch als als Mischung aus Gott, Mafiaonkel und Trash-Promi kennen, ein billiger Witz, ein Heiliger und ein Millionengeschäft.

Diego Maradona also, der Echte, geht durch den Tunnel ins Stadion von Neapel, in dem 80.000 Fans warten. Er weiß nicht richtig mit der Situation umzugehen; ein schüchterner Kerl, ein sympathischer Wuschelkopf, er ist 23 Jahre alt. Ein ziemlich normaler Typ. Und einer, der bereits die Aufmerksamkeit liebt. Er wirft den Fans strahlend Kusshändchen zu, er jongliert ein bisschen mit dem Ball, er staunt über den Riesenauflauf. Auf der Pressekonferenz, als ein Journalist mit einer bizarren Vorahnung fragt, ob Maradona wisse, was die Camorra sei und was sie hier bedeute, schaut der Junge ratlos und unschuldig; der Vereinspräsident übernimmt, brüllt herum und will den Journalisten rausschmeißen. Am Verhalten diktatorischer Clubfunktionäre hat sich seither nicht viel geändert.

Wie geht ein einzelner Mensch mit so viel Liebe, mit so viel Hohn um? Kann man überhaupt damit umgehen?

In dem im Juni veröffentlichten Dokumentarfilm, der schlicht »Diego Maradona« heißt, sieht man den jungen Fußballer als naiven Jung­spund, der seit dem 15. Lebensjahr Alleinernährer seiner Familie ist und der eine kleine Schwäche für Partys hat. Banal und normal. Doch seit die Hölle über dem jungen Diego losbrach und er zu dem Maradona wurde, ist bei ihm nichts mehr normal.

Auf dem Höhepunkt des Erfolgs: Maradona 1986 mit dem WM-Pokal.

Bild:
DCM World

Es passt beinahe zu gut ins Bild, dass es Asif Kapadia war, der diese Dokumentation gedreht hat. Der britische Regisseur, dessen vorherige Filme von Ayrton Senna und Amy Winehouse handelten, hat ein Faible für tragische Genies. In vielerlei Hinsicht ähnelt »Diego Maradona« der 2015 veröffentlichten Dokumentation »Amy«, denn hier wie dort interessiert Kapadia vor allem eines: die Beziehung des Einzelnen zur Masse, erzählt im Zoom auf den Einzelnen. Es geht um den Punkt, an dem Begeisterung in Irrsinn umschlägt und Liebe in Übergriffigkeit, an dem aus Interaktion vor allem ein Abwehrmechanismus wird.

Kapadia fasziniert an der zynischen Destruktion einer Ikone der Prozess, in dem Medien und Öffentlichkeit zuerst ein Denkmal bauen und dann leidenschaftlich und lustvoll wieder einreißen. Kühl analysiert er diesen Vorgang. Wie, fragt Kapadia, geht ein einzelner Mensch mit so viel Liebe, mit so viel Hohn um? Kann man überhaupt damit umgehen? Weder Amy Winehouse noch Diego Maradona vermochten dies besonders gut. Flucht, Drogen, Exzess, es wiederholt sich einiges.