Aufstieg und Fall von Diego Maradona

Abriss einer Ikone

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Man muss das nicht ohne Vorbehalt teilen. Schon auf den frühen Party­videos sieht Maradona schwer nach Maradona aus, bereits in Argentini­en stolziert er im Pelzmantel herum, und ein wenig wirkt es, als wolle man im Nachhinein vermeintliche Sünden an eine Kunstfigur loswerden, aber etwas ist an der Dichotomie sicherlich dran. Erstmals seit langem sieht man hier den mittlerweile kaum mehr erkennbaren, gar nicht mal so ungewöhnlichen Menschen Diego Maradona: leicht zu begeistern, schlitzohrig, aber auch fleißig und hingebungsvoll.

In der Sache gibt es selbstverständlich keine spektakulär neuen Erkenntnisse. Es wurde zu viel geschrieben und geredet über Diego Maradona. Manchmal dauert die Nacherzählung dieser oder jener Saison zu lang für Fans und zu kurz für Unkundige, und man weiß ja, was passiert, hier die Hand Gottes, da das Solo des Jahrhunderts, Camorra, Koks. Und so weiter.

Manches aber, das man sowieso ahnte, versteht man dank des Films besser. Wie der Spieler vor allem deshalb zum Helden werden konnte, weil er wie kaum einer den sozialen Aufstieg verkörperte, immer auch bewusst oder unbewusst anhand seiner Teams. Mit den Underdogs von den Boca Juniorsgegen das Establishment, mit den Verarmten und Verspotteten aus Neapel gegen den reichen italienischen Norden, mit den Unterschätzten im Nationalteam gegen den Rest der Welt – das war Ma­radonas Kampf. Er wurde auch deswegen so geliebt, weil er ein Star war in der Masse aus Arbeitstieren, mit viel Begeisterung und ein bisschen Schummelei; bei Real Madrid hätte Maradona nie funktioniert. Man darf es dem Argentinier hoch anrechnen, dass er im Film offen über vieles redet, auch das würde heutzutage keiner mehr so machen. Wahrscheinlich ist er es so gewohnt. Man möchte nicht in seiner Haut gesteckt haben damals.

Maradona wurde wohl auch deshalb noch berühmter als Pelé, der andere »Weltfußballer des 20. Jahrhunderts« der Fifa, weil er in einer Phase der medialen Transformation kickte. Die Massenmedien waren näher, brutaler, mächtiger als zu Pelés Zeiten, und die Spieler noch nicht so hermetisch abgeschirmt wie heutzutage. In den anfänglichen Filmsequenzen wirkt der junge Fußballer oft verspielt, er lacht viel, ein bisschen wie ein Pumuckl unter schwarzem Schopf. Irgendwann verschwindet das Spielerische. Ironischerweise, denkt man da, ist »D10S«, der göttliche Zehner, nur deshalb Gott, weil die Menschen ihn haben fallen sehen und fallen lassen. So wurde er wieder nahbar, wieder einer von ihnen. Glaubt man Asif Kapadia, ist der Mensch Diego Maradona dabei kaputtgegangen.