Die Energiegewinnung aus Braunkohle wird in Deutschland wirtschaftlich immer unattraktiver, doch der Ausstieg gilt als politisch riskant

Fossilien unter Druck

Seite 2 – Horror vacui


In Nordrhein-Westfalen sind die Folgen der Abwicklung des Ruhrgebiets noch immer gravierend. Nach dem Ende des Ruhrbergbaus gelang es dort nicht, Nachfolgeindustrien zu etablieren, die in großem Maßstab vernünftig bezahlte Arbeitsplätze anbieten und das Steueraufkommen der Kommunen stabilisieren konnten. Die Folge sind verschuldete Städte und eine verarmte Bevölkerung. In der Lausitz ist die Erfahrung der mit der Wende einsetzenden Deindustrialisierung bis heute präsent. Gerhard Gundermann, ein Baggerfahrer aus den Lausitzer Tagebauen, ­erfasste als Liedermacher die Erfahrungen vieler Ostdeutscher in der Umbruchphase nach dem Ende der DDR. Das Wort »Strukturwandel« wird hier vor allem als bedrohlich wahrgenommen. Selbst wenn, wie laut dem Berliner Tagesspiegel geplant, gefördert von der Bundesregierung ein Batteriewerk für Elektroautos in der Lausitz errichtet würde, könnte das bei weitem nicht die aus dem Ende der Braunkohleindustrieresultierende Arbeitslosigkeit kompensieren. Auch die Tourismusindus­trie, die beginnt, sich an den schon aufgegebenen und gefluteten Tagebauen zu entwickeln, vermag das nicht.

Wissend, dass es auf absehbare Zeit in den betroffenen Regionen keine wirtschaftliche Alternative zur Braunkohle gibt, sind die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen nicht im Geringsten an einem Ausstieg aus der Braunkohleförderung interessiert. Unterstützung erhalten sie auf Bundesebene vor allem von der SPD. Die Bergbaureviere waren traditionelle Hochburgen der Partei. Die haben sie jedoch verloren. In der Lausitz wurde bei der letzten Bundestagswahl die AfD die stärkste Partei. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat in ihrem Bemühen, den Niedergang ihrer Partei aufzuhalten, jetzt auch die Braunkohle als Thema entdeckt. Ausgehend von der verbreiteten Annahme, die SPD habe die Arbeiterschaft verloren, weil sie sich zu sehr für Minderheitenrechte und Ökologie interessiert habe, gab sie sich in den vergangenen Wochen als Verteidigerin der Arbeitsplätze in der Kohleindustrie. Sie wies Forderungen der Grünen nach einem raschen Ausstieg aus der Kohleenergie zurück.

Das lautstarken Auftreten Nahles’ in dieser Sache ist freilich Symbolpolitik und wird weder dem Braunkohlebergbau noch der SPD helfen. Beider Zeit ist abgelaufen. Offen ist nur, was danach kommt.