Das rechtsextreme Hooligan-Milieu in Sachsen trug wesentlich zur der Eskalation der Proteste in Chemnitz bei

Hooligans machen mobil

Rechtsextreme Chemnitzer Hooligans haben sehr gute Kontakte. Entsprechend mühelos gelang ihnen die Mobilisierung nach dem Tod von Daniel H.

Rechtsextreme Sprechchöre mit Bezug zum Fußball und szenetypische Kleidung sowie offizielle Merchandise-Artikel regionaler Fußballvereine – das waren die deutlichsten Indizien dafür, dass in der ersten Phase nach dem gewaltsamen Tod von Daniel H. in Chemnitz die Mobilisierung hauptsächlich von örtlichen Fußballfans ausging. Einer Analyse des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) zufolge trug das rechtsextreme Hooligan-Milieu in Sachsen wesentlich zur der Eskalation der Proteste in Chemnitz bei. Kein Wunder: In der Stadt besteht die Verbindung zwischen Neonazis, Hooligans und Fußballfans seit langem.

Anfang der neunziger Jahre gründete sich aus der Chemnitzer Fan­szene heraus die Gruppe »Hooligans – Nazis – Rassisten« (HooNaRa). Obwohl die rechtsextremen Anhänger des Chemnitzer Fußballclubs (CFC) ihre Gesinnung offen zur Schau stellten, konnten sie im Stadion beinahe ungestört auftreten. Der Verein und die lokale Politik verhinderten das nicht. Fanbeauftragte und Sozialarbeiter im Fußball gab es damals in der ostdeutschen Provinz noch nicht. Die wenigen fußballaffinen Antifaschisten standen einer gut trainierten Überzahl an Rechtsextremen gegenüber, im Stadion hatten gewaltbereite Neonazis das Sagen. Ein weiteres Merkmal der ­besonders schwierigen Chemnitzer Verhältnisse war der Umstand, dass die für Sicherheit im Stadion zuständige Firma von Thomas Haller, dem Gründer von HooNaRa, betrieben wurde.

Das Mobilisierungspotential des gewaltbereiten Neonazimilieus wurde in Chemnitz nicht voll ausgeschöpft. Als dort die von der AfD angemeldete Großdemonstration stattfand, gingen etwa 800 Personen bei einer Veranstaltung der Partei »Der III. Weg« in Plauen auf die Straße.

Erst 2006 löste der Vorstand des CFC den Vertrag mit Haller auf, weil dieser in der Öffentlichkeit zuge­geben hatte, die rechtsextreme Fangruppe gegründet zu haben, und die Vereinsführung darüber hinaus als »undankbar und dumm« bezeichnet hatte. Kurz darauf sprach der CFC gegen die Hooligan-Gruppe ein Stadionverbot aus. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich deren Mitglieder allerdings längst in anderen Orga­nisationen zusammengefunden. Während sich die Namen dieser Gruppen über die Jahre immer wieder änderten, blieb ihre Ausrichtung bestehen.

Offiziell löste sich HooNaRa 2007 auf. Dem sächsischen Innenministerium zufolge tritt die Gruppe jedoch weiterhin »regelmäßig bei rechtsextremistischen Veranstaltungen der neonationalsozialistischen und subkulturellen Szene im Raum Chemnitz in Erscheinung«. Sie besteht demnach aus 20 bis 30 Personen und wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
Einzelne Mitglieder schlossen sich anderen Gruppen an, wie zum Beispiel »Kaotic Chemnitz« oder »Squadra Celeste«.

Beide Vereinigungen erhielten inzwischen ebenfalls Stadionverbot. Dem sächsischen Verfassungsschutz zufolge treten ihre Mitglieder jedoch weiterhin in losen Zusammenschlüssen auf. An den rassistischen Protesten des Pegida-Ab­legers Cegida beteiligten sich regelmäßig etwa zehn Mitglieder der ebenfalls mit einem Stadionverbot belegten »NS-Boys«. Es gab darüber hinaus auch personelle Überschneidungen von HooNaRa mit der Anfang 2014 verbotenen rechtsextremen Gruppe »Nationale Sozialisten Chemnitz«. Vor einem Jahr waren Mitglieder der »NS-Boys« an den gewalttätigen Ausschreitungen während des Spiels von Energie Cottbus in Babelsberg beteiligt. Im Internet informieren die Gruppen über ihre Betätigung. So veröffentlichen »Kaotic Chemnitz« und die »NS-Boys« regelmäßig Erlebnisberichte von den Spielen. »Kaotic Chemnitz« berichtete Mitte Mai über die eigene Jubiläumsfeier zum zehnjährigen Bestehen.