Nach der Parlamentswahl in Italien

Land der Populismen

Ob nach den italienischen Wahlen eine Regierungskoalition zustande kommt, wird lange offenbleiben. Die Wahlergebnisse liefern dennoch ein klares Bild der politischen Lage des Landes.
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Eine erste Drohung hat der Sieger der italienischen Parlamentswahl bereits ausgesprochen: »Wir sind die absoluten Gewinner. Das führt uns zwangsläufig an die Regierung Italiens. Wir wollen Italien eine Regierung geben und wir sind offen für alle politischen Kräfte. Heute beginnt die Dritte Republik, die aller Italiener«, sagte Luigi Di Maio, der Spitzenkandidat der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), am Montagmittag. Also doch regieren.

Als Spitzenkandidat einer Partei, die aus der Ablehnung aller etablierten politischen Kräfte entstanden ist und bislang Koalitionen mit der »Politikerkaste« ausschloss, von »Öffnung« zu sprechen, ist zumindest gewagt. Als Vertreter einer »postideologischen« Partei, wie sich die M5S gerne sieht, befindet er sich allerdings in der bequemen Position, alle Türen offen zu halten, ohne sich dafür gegenüber seiner Wählerschaft rechtfertigen zu müssen.

Regieren also, aber mit wem? Diese Frage stellt sich angesichts der Tatsache, dass etwas mehr als 32 Prozent der Wählerstimmen keine absolute Mehrheit darstellen, was Di Maio vermutlich im Freudentaumel entgangen war. Mit der fremdenfeindlichen Lega, die kurz vor den Wahlen schnell das »Nord« aus dem Parteinamen gestrichen hatte, um mit ihrer völkischen Propaganda nicht mehr nur für Norditaliener, sondern für das gesamte »Volk« attraktiv zu werden?

 

Die Populismen der kleinen Leute – M5S und Lega – haben die Populismen der Parteianführer – Renzi und Berlusconi – geschlagen.

 

Eine Koalition der Populisten wäre denkbar, zumal die Positionen des M5S zu Themen wie Immigration und innere Sicherheit sowie Finanzkrise und Europa nicht sehr weit von denen der Lega entfernt sind. »Über Italiener entscheiden die Italiener. Nicht Berlin, nicht Paris, nicht Brüssel«, jubelte der Lega-Vorsitzende Matteo Salvini am Tag nach der Wahl. Dass seine Partei im rechten Wahlbündnis mit fast 20 Prozent der Stimmen Silvio Berlusconis Forza Italia überholt hat, war neben der plötzlichen Regierungsbereitschaft des M5S die einzige Überraschung bei diesen Wahlen. Salvini sieht sich, ähnlich wie Di Maio, bereits als Regierungschef, die Konkurrenz zwischen den beiden macht eine Koalition der Populisten zunächst unwahrscheinlich.

Fest steht, dass das Mitte-rechts-Bündnis seit Sonntag einen neuen Anführer hat.

Was sagen die Wahlergebnisse, jenseits von möglichen oder unmöglichen Regierungskoalitionen, über die politischen Einstellungen der Italienerinnen und Italiener aus? Lega und M5S spalten das Land zwar auf den ersten Blick, in Wirklichkeit teilen sie sich die Wählerstimmen: Die Lega dominiert im Norden, der M5S im ­Süden. Die Zahlen sagen aber vor allem eines: Knapp 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben am Sonntag gegen Migranten und Flüchtlinge gestimmt, halten wenig bis gar nichts von Bürgerrechten für Minderheiten und von der EU – auch wenn von einem Austritt aus der Euro-Zone bei beiden Parteien nichts mehr zu hören ist.

Die Sozialdemokraten sind hinweggefegt worden. Die Spaltung des Partito Democratico (PD) unter der Führung von Matteo Renzi hat das erwartbare Debakel zur Folge gehabt. Nicht wenige Kommentatoren hatten diese Parlamentswahl deshalb zuvor als etwas umständlichen Weg bezeichnet, den Parteivorsitzenden loszuwerden. Und so kam es auch: Der PD schaffte es nicht einmal mehr auf 20 Prozent und Renzi verkündete am Montagabend seinen Rücktritt. Mission accomplished: Aus den Wahlen geht das Linksbündnis endgültig als marginale politische Kraft hervor.

Die Populismen der kleinen Leute – M5S und Lega – haben die Populismen der Parteianführer – Renzi und Berlusconi – geschlagen.

Darüber freuen sich nicht nur die Alice Weidel, Marine Le Pen und Nigel Farage. Darüber freut sich auch der rechtsextreme US-Publizist Stephen Bannon, der sich Anfang März im Rahmen einer Europa-Tour in Italien aufhielt, um die Wahl zu beobachten. »Die italienische Wahl versinnbildlicht alles, sie ist purer Populismus«, hatte er vor dem Wochenende in einem Interview gesagt. Umso mehr freute sich Donald Trumps ehemaliger Chefberater über das »Erdbeben«, wie er das italienische Wahlergebnis nannte. »Es war die italienische Version der Wahl Donald Trumps«, kommentierte er.