Nonie Darwish im Gespräch

»Den Begriff Islamophobie halte ich für Propaganda«

Nonie Darwish wurde in Ägypten geboren. Einen Teil ihrer Kindheit verbrachte sie in den fünfziger Jahren in Gaza, wo ihr Vater als leitender ägyptischer Geheimdienstoffizier die Guerillaangriffe auf israelisches Territorium befehligte. Als sie acht Jahre alt war, wurde ihr Vater von der israelischen Armee getötet und in Ägypten zum Märtyrer und Volkshelden erklärt. Um ihren Partner, einen koptischen Christen, heiraten zu können, wanderte die Journalistin 1978 in die USA aus, wo sie immer noch lebt. Sie betreibt das Internetportal »Arabs For Israel«. Kürzlich erschien ihr Buch »Now they call me infidel«. Mit Nonie Darwish sprach Markus Ströhlein.

Im November hat die ägyptische Regierung das Ergebnis einer Umfrage veröffentlicht. Danach haben 92 Prozent der befragten Ägypter angegeben, Israel sei ein feindliches Land. Überrascht Sie das?

Als ich 2001 nach 20 Jahren Ägypten wieder einmal besucht habe, musste ich feststellen, dass sich die gesellschaftliche Situation verschlechtert hatte. Der Islamismus hatte an Bedeutung gewonnen. Ich habe den Müll und die Verschmutzung am Ufer des Nils gesehen, die Armut, die Korruption, die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen. Ich habe eine ägyptische Zeitung aufgeschlagen. All diese Probleme wurden mit keinem Wort erwähnt. Man hätte fast den Eindruck haben können, das einzige Übel auf der Welt sei Israel. Mit dieser Propaganda werden die Menschen tag­ein, tagaus bombardiert.

Sie schildern Ägypten in Ihrem Buch als eine sehr strenge und harte Klassengesellschaft, in der Menschen, die einfache Arbeiten verrichten, wie Abschaum behandelt werden. Denken Sie, diese soziale Ordnung trägt zum Aufstieg des Islamismus bei?

Die Frage, ob zuerst die Henne oder das Ei da war, lässt sich schwer beantworten. Verschärft der politische Islam die Situation, oder hat diese Ordnung erst den Islamismus hervorgebracht? Ein Imam hat einmal zu mir gesagt: »Fühle dich nicht schlecht wegen der Armen. Es gibt einen Grund dafür, dass Gott diese Menschen mit der Armut bestraft hat.« Es gibt keine Nachsicht und Hilfe für arme Leute. Der Hass, der schon den arabischen Kindern anerzogen wird, prägt nicht nur ihren Blick auf andere Kulturen und vor allem den Westen. Er bestimmt auch den Blick auf die Menschen, von denen man umgeben ist.

Sie widmen sich in Ihrem Buch ausführlich den Familienstrukturen in Ägypten. Sie prangern vor allem die Polygamie an.

Das islamische Eherecht ist in der zivilrechtlichen Sharia festgelegt. Sie gilt, anders als die strafrechtliche Sharia, in den meisten Ländern mit muslimischer Mehrheit. Nach diesem Eherecht kann ein Mann vier Frauen heiraten. In einigen Ländern holen sich Männer ihre Zweit- und Drittfrauen in das Haus der Familie. In anderen Ländern werden weitere Eheschließungen hinter dem Rücken der ersten Frau vollzogen. Das Hauptproblem besteht darin, dass dieses Eherecht den Frauen jegliche Form von Sicherheit entzieht. Sie befinden sich in einer dauerhaften Angst, in schwierigen Zeiten nicht auf ihren Mann vertrauen zu können, sondern einfach der materiellen Not überlassen zu werden. Deshalb übernehmen die Väter und Brüder ihren Schutz.

Sie legen die Verhältnisse, die Sie in Ägypten erlebt haben, sehr akribisch dar. Aber kann man wirklich diese Be­obachtungen auf alle arabischen Gesellschaften übertragen?

Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den arabischen Gesellschaften. Die ägyptische ist um einiges moderater als z.B. die saudi-arabische. In Ägypten gilt die strafrechtliche Sharia nicht, die die Amputation von Gliedmaßen, die Steinigung oder die Enthauptung als Formen der Strafe umfasst. Doch mag sich die Unterdrückung auch vom Grad her in den Ländern unterscheiden, ist sie vom Prinzip her doch dieselbe.

Sie sagen in Ihrem Buch, die Terroristen repräsentierten den Islam. Wollen Sie behaupten, die Terroristen stehen stellvertretend für die 1,4 Milliarden Muslime auf der Welt?

Nach dem 11. September 2001 traten sehr viele Apologeten auf den Plan, die sagten, die Terroristen stünden nicht für den »wahren« Islam, die Anschläge seien nicht mit der Religion zu vereinbaren. Schön, aber warum sind diesen Beteuerungen bislang keine Taten gefolgt? Die Muslime sollten im Kampf gegen den Islamismus in der ersten Reihe stehen. Wir sollten beweisen, dass es uns ernst damit ist, den Terroristen das Handwerk zu legen. Wir sollten über die Untaten reden, die von Muslimen verübt werden, über das, was in den Koranschulen gelehrt wird, über das Wertesystem in den muslimischen Gesellschaften. Das passiert nicht, während muslimische Wortführer davon sprechen, die Weltherrschaft übernehmen zu wollen.

Können sich diese Gesellschaften von selbst wandeln?

Es handelt sich um unabhängige Staaten. Sie werden nicht von außen gelenkt. Sie verfügen über Ressourcen und Land. Im Mittleren Osten unterwerfen sich die Menschen aber der Macht und der Gemeinschaft. So wächst man eben auf. Es ist ein Tabu, die eigene Kultur zu kritisieren. Ich bin sehr skeptisch, was einen Wandel von innen angeht.

Sie erachten es im Kampf gegen den Islamismus als besonders wichtig, die US-Politik mit Saudi-Arabien grundlegend zu ändern.

Die Saudis haben den Ölhandel zu einem Erpressungsgeschäft umgewandelt. Der Handel sollte von den USA nicht als freundschaftliche Beziehung, sondern als schlichte ökonomische Angelegenheit betrachtet werden. Dollars für Öl. Daneben sollten wir einen gleichrangigen kulturellen Zugang für beide Seiten fordern. Die Saudis haben die Möglichkeit, in den USA und im gesamten Westen Moscheen zu stiften. Dann sollte der Westen doch auch die Möglichkeit bekommen, kulturell in Saudi-Arabien aktiv zu werden. Aber wer käme auf die Idee, dort ein Kulturzentrum, eine Kirche oder eine Synagoge bauen zu wollen? Es ist einfach unmöglich. Der kulturelle Zugang besteht nur in einer Richtung.

Sie betreiben die Webseite »Arabs for Israel«, auf der Sie sich für den Frieden und die nachbarschaftlichen Beziehungen der arabischen Länder mit Israel aussprechen. In Ihrem Buch und in Ihren Vorträgen üben Sie harte Kritik am Islam. Ihre Arbeit stößt sicher nicht nur auf Gegenliebe.

Morddrohungen habe ich bis jetzt nicht erhalten. Aber ich bekomme widerliche Briefe. »Du bist ein Schwein und ein Affe, genau wie die Leute, die du unterstützt«, stand in einem. Manchmal gibt es Versuche, meine Auftritte an den Universitäten zu verhindern. Meine Gegner benutzen auf sehr schlaue Weise die im Westen gefürchteten Stichworte: Rassismus, Diskriminierung. Meine Kritik an der Verschleierung wird z.B. gerne zur Islamophobie umgemünzt. Sobald dieses Wort erklingt, zittern den politisch korrekten Akademikern die Knie. So kommt es manchmal dazu, dass meine Auftritte wieder abgesagt werden.

Welche Erfahrungen haben Sie als arabischstämmige US-Bürgerin mit der Islamophobie gemacht?

Der Westen reagiert mit einer sehr begründeten Angst vor dem Islamismus. Ich halte den Begriff »Islamophobie« deshalb für Propaganda. Die meisten Muslime, die in die USA eingewandert sind, haben eine doppelte Staatsbürgerschaft. Sollten die Bedingungen wirklich so schlecht geworden sein, hätten sie jederzeit die Möglichkeit, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Doch niemand tut das.

Nonie Darwish: Now they call me infidel. Why I renounced Jihad for America, Israel and the war on terror. New York 2006, 258 S., 20 Euro