Zu viel Fleiß

Ermittlungen gegen einen türkischen Staatsanwalt

Der Semdinli-Skandal in der Türkei könnte eine Geschichte aus Schilda sein. Zur Erinnerung: Die Schildbürger beschlossen irgendwann, sich dumm zu stellen, weil ihre eigentliche Klugheit ihnen zu viele Ratsuchende im gemütlichen Schilda beschert hatte. Und fortan taten sie viel Närrisches.

Ähnliches trägt sich momentan in den südöstlichen Provinzen der Türkei zu. Vergangene Woche leitete Justizminister Cemil Cicek Ermittlungen gegen Ferhat Sarikaya von der Staatsanwaltschaft Van wegen Amtsmissbrauch ein. Der Staatsanwalt hatte es gewagt, gegen wichtige Militärs des Landes Anklage zu erheben.

Anlass war eine Explosion am 9.November in Semdinli im äußersten Süd-osten der Türkei. Der Sprengsatz in einem Buchladen tötete einen Kunden. In der Gegend passiert so etwas häufiger. Dies­mal trat jedoch offen zutage, was im Grunde alle wissen: Nicht nur die PKK, auch das türkische Militär hat ein Interesse daran, den militärischen Konflikt aufrechtzuerhalten. Passanten auf der Straße stellten die Bombenleger, zwei Unteroffiziere und einen PKK-Überläufer, in einem Dienstwagen der Gendarmerie.

Die Angehörigen der Gendarmerie gelten als die »Männer für das Grobe« innerhalb des türkischen Militärs. Umso empörter waren sie, dass einige Kurden es wagten, die drei festzuhalten und das Waffenarsenal im Kofferraum sowie die Karte mit den nächsten Bombenzielen sicherzustellen, schließlich war dies alles staatliches Eigentum. Es kam aber noch schlimmer für sie. Eine parlamentarische Untersuchungskommission wurde eingerichtet, die neben den Hintergründen des Bombenanschlags auch ermitteln soll, warum ein weiterer Offizier bei der anschließenden Großdemonstration einfach in die Menge schoss.

Die Staatsanwaltschaft von Van geht zudem unter anderem der Aussage des Geschäftsmannes Mehmet Ali Altindag aus Diyarbakir nach, dass der designierte Generalstabschef Yasar Büyükanit in seiner Zeit als Kommandant in der Stadt die jetzt angeklagten Offiziere, dabei habe gewähren lassen, kurdische Geschäftsleute zu erpressen.

Der derzeitige Generalstabschef Hilmi Özkök traf sich in der vergangenen Woche eiligst mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer. Wenig später leitete der Justizminister Ermittlungen gegen Staatsanwalt Sarikaya ein.

sabine küper-büsch, istanbul