Zum Jubeln zu wenig

Die Bürger Luxemburgs stimmten mehrheitlich für die EU-Verfassung. Aber bei weitem nicht so deutlich, wie von Politikern erhofft. von ines kurschat, luxemburg

Geradezu mürrisch stellte sich Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker am Sonntag den Fragen der Journalisten. Dabei hatte über die Hälfte der rund 223 000 luxemburgischen Wählerinnen und Wähler beim Referendum zum Europäischen Verfassungsvertrag mit »Jo« gestimmt – und damit die Zukunft ihres Premierministers im eigenen Land gesichert. Juncker hatte sein politisches Schicksal mit der Zustimmung zur EU-Verfassung verknüpft. 56 Prozent Zustimmung und 43 Prozent Ablehnung, so lautet das offizielle Endergebnis. Und das dürfte zugleich die Erklärung für die miese Stimmung des Christdemokraten und Vorzeige-Europäers sein.

Hätte die Abstimmung nämlich vor sechs Monaten stattgefunden, also noch vor dem französischen und dem niederländischen Referendum, wäre die Zustimmung in dem EU-Gründerstaat mit Sicherheit größer gewesen. Noch im Herbst 2004 hatten über 60 Prozent der Luxemburger in Umfragen angegeben, für die Verfassung stimmen zu wollen.

Der Regierungskoalition aus Christdemokraten und Sozialisten ist es gelungen, die zunehmende Europa-Skepsis in allerletzter Minute abzubremsen. Aber bei weitem nicht so, wie es sich die Politeliten in Luxemburg und Brüssel gewünscht hatten. Zudem gilt die Trendwende nicht für das ganze Land. Ausgerechnet in Junckers Wahlbezirk, im industriellen und traditionell linken Süden, stimmte mehr als die Hälfte der Wähler gegen den Verfassungsvertrag. Dort leben Luxemburgs Verlierer der Globalisierung. Die Region hat verhältnismäßig viele Arbeitslose, viele Arbeiter sind beim weltgrößten Stahlkonzern Arbed beschäftigt. Und der drängt seit Monaten darauf, den teuren Luxemburger Standort weiter zu flexibilisieren. Die Angst vor der eigenen Arbeitslosigkeit wurde zu einem Motiv für die Ablehnung.

Das sehen die Vertreter des »Komitees für das Nein«, einer Plattform vor allem linker Verfassungsgegner, anders. Sie beharren darauf, dass die Ablehnung mehrheitlich nicht protektionistisch motiviert gewesen sei, sondern im Gegenteil für ein sozialeres, gerechtes Europa stehe. Doch dass das eigene Hemd näher ist als der europäische Rock, zeigen auch Umfrageergebnisse. 68 Prozent der Befragten nennen die Ost-Erweiterung und 39 Prozent einen möglichen Beitritt der Türkei als Grund für ihre Ablehnung. »Selbst wenn keiner darüber spricht«, gebe es Fremdenhass und Egoismus auch im multikulturellen Luxemburg, so der Historiker Gilbert Trausch nach der Wahl. In Esch-sur-Sure etwa, einer der neun Gemeinden im Land mit einer deutlichen Mehrheit gegen die Verfassung, sind viele Flüchtlinge untergebracht und werden von der einheimischen Bevölkerung recht skeptisch beäugt. »Das Nein hat mit Sicherheit damit zu tun«, meint Henri Kox, Abgeordneter der Luxemburger Grünen.

Die Sorge vieler Luxemburger vor »Überfremdung« und sozialem Abstieg ist gleichwohl erklärungsbedürftig. Nicht nur, dass die Wirtschaft des Landes ohne all die Ausländer, die tagtäglich nach Luxemburg kommen und dort arbeiten, gar nicht existieren könnte. Luxemburg hat mit etwas über vier Prozent eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in der EU. Auch sonst geht es dem Land vergleichsweise gut: Von den 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum, die Luxemburg derzeit verzeichnet, können andere Länder nur träumen. Dazu beigetragen haben nicht zuletzt die Zuschüsse aus Brüssel sowie die diversen EU-Institutionen, die zahlungskräftige Menschen aus ganz Europa ins Land gebracht haben.

Kein Wunder, dass sich Jean-Claude Juncker verzweifelt die Haare rauft. Die Verfassung ist mit dem Abstimmungsergebnis keineswegs gerettet. Dafür hat Luxemburgs Image eines von Europa begeisterten Landes par excellence einen empfindlichen Kratzer erlitten.