Kiew light

Nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vermutet die rumänische Opposition massiven Wahlbetrug. Das ukrainische Szenario findet vorerst nicht statt. von martin schwarz

Was in Europa zumindest seit dem Fall des Eisernen Vorhangs der Vergangenheit anzugehören schien, gehört offensichtlich nun wieder zu den Begleiterscheinungen von Wahlen: der Vorwurf des massiven Wahlbetrugs zugunsten der Regierung. Dass in den vergangenen Wochen die Ukraine davon betroffen war, hat nach der Ära Leonid Kutschmas kaum noch jemanden verwundert, nun wabert allerdings auch das Gerücht über Manipulationen der Mächtigen durch Rumänien, ein Land, das 2007 der EU beitreten soll.

Vergangene Woche hat dort der liberale Oppositionsführer und Bukarester Bürgermeister Traian Basescu seinem sozialistischen Gegenspieler, Premier Adrian Nastase, Betrug bei der Parlaments- und Präsidentenwahl vorgeworfen. Und wenn Basescu etwas vermutet, dann hat er meistens auch die passenden Lösungen parat. Im Gegensatz zu seinem vermeintlichen Kollegen Viktor Juschtschenko aus der Ukraine forderte Basescu zwei Tage nach der Wahl am 29. November die sofortige Verhaftung des Vorsitzenden der rumänischen Wahlkommission, Emil Gherghut. Der habe gemeinsam mit Nastase den Zentralcomputer manipuliert und tausende Stimmen, die von der Wahlkommission ursprünglich als ungültig erklärt worden waren, den Sozialisten oder eben Nastase zugeschlagen.

Die Zahlen geben durchaus Anlass zur Besorgnis. Einen Tag nach der Wahl hatte die Wahlkommission noch 392 447 Stimmen für ungültig erklärt, wenige Stunden später waren es nur noch 232 597. Die gleiche Minimierung ungültiger Stimmen fand auch bei den parallel stattfindenden Wahlen zu den beiden Kammern des rumänischen Parlaments, des Abgeordnetenhauses und des Senats, statt. Die Wahlkommission rechtfertigt die Ungereimtheiten mit Fehleingaben der lokalen Wahlbehörden, die der Computer korrigiert habe. Zudem könne Basescu keine Beweise für die virtuelle Manipulation vorlegen. Dabei hatte er schon am Wahlabend Betrug unterstellt, allerdings mit dem Argument, die Regierung habe Staatsbeamte mit Bussen durch das Land chauffieren lassen, damit sie ihre Stimme mehrmals in verschiedenen Provinzen zugunsten der regierenden Sozialisten abgeben könnten.

Beweise für derartige Praktiken konnte Basescu aber auch keine vorlegen. Fest steht immerhin, dass es in den 48 Stunden nach Ende der Wahl zu einer klaren Verschiebung des registrierten Wählerwillens zugunsten der Regierung und des Präsidentschaftskandidaten Nastase gekommen ist. Am Wahlabend etwa lag Basescus Oppositionsbündnis »Gerechtigkeit und Wahrheit« noch rund ein Prozent vor den Sozialisten, zwei Tage später hatte die Regierungspartei plötzlich fünf Prozent mehr.

Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatten das Abstimmungsverfahren als »professionell und effizient organisiert« bezeichnet, Wahlbetrug konnten sie nicht feststellen. Basescu schloss aus, nach dem Vorbild der Ukraine die Massen für eine Revision des Wahlergebnisses zu mobilisieren: »Die Opposition ist stark genug, um die Demokratie in Rumänien zu verteidigen.« Vergleiche mit der Ukraine hielt er für »unangebracht«.

Am 12. Dezember müssen Nastase und Basescu zur Stichwahl um das Präsidentenamt gegeneinander antreten, erst dann wird sich erweisen, wie stark die selbst heilenden Kräfte der rumänischen Demokratie sind. Die OSZE hat schon angekündigt, die Wahlen abermals beobachten zu wollen.