Ben Ali und die Blumentöpfe

Bei den Wahlen in Tunesien sicherte sich der Präsident eine weitere Amtszeit. Die Opposition war chancenlos. von bernhard schmid, paris

Legt er die Hand auf das Herz oder auf die Brieftasche? Auf jeden Fall blickt Tunesiens alter und neuer Präsident, der 68jährige Zine al-Abidine Ben Ali, mit einem steifen Lächeln von den Wahlplakaten herunter. Ein Text steht nicht darauf, nicht einmal sein Name. Das ist auch unnötig. Fast die gesamte Medienberichterstattung ist der Kandidatur des Staatschefs zu seiner Wiederwahl und seinen angeblichen Erfolgen gewidmet. Über einen Mangel an Informationen über Ben Ali können die Tunesier sich also nicht beklagen. Viele bezeichnen ihn längst als den »Präsidenten auf Lebenszeit«.

Der ehemalige Militär und in den USA ausgebildete Nachrichtendienstler Ben Ali war bereits zum Innenminister aufgestiegen, als er 1987 die Macht ergriff. Er ließ seinen offiziell auf Lebenszeit amtierenden Vorgänger Habib Bourguiba kurzerhand von den Palastärzten für amtsunfähig erklären und gilt seitdem als Erfinder des »medizinischen Staatsstreichs«.

Seitdem hat er das Land fest im Griff. Neben Ben Ali kandidierten zwar noch drei andere Bewerber. Doch zwei von ihnen wurden von Beobachtern als »Blumentöpfe« bezeichnet, die allein zur Dekoration dienen. Denn Mohammed Bouchiha und Mounir Beji gehören zur entfernten Verwandtschaft Ben Alis und verbrachten die meiste Zeit damit, die großartige Bilanz des Amtsinhabers zu loben.

Der dritte Kandidat war Mohammed Ali Halouani, der Vorsitzende der Partei al-Tajdid (Die Erneuerung), ein gütig dreinblickender Herr mit weißem Schnurrbart. Seine Partei ist der Überrest der früheren KP, die ein Jahrzehnt lang als offiziell anerkannte Opposition überwinterte. Die Partei erhielt Subventionen vom Regime Ben Alis, als Gegenleistung musste sie sich auf eine »konstruktive Opposition« beschränken. Ihre Abgeordneten im Parlament haben gegen keine einzige Gesetzesvorlage der Staatspartei RCD (Verfassungsmäßige Demokratische Sammlung) gestimmt.

Kürzlich erwachte die Partei aus ihrem Winterschlaf und beschloss, unter dem Namen Initiative démocratique zusammen mit Vertretern von Zivilgesellschaft und Menschenrechtsgruppen zur Präsidentschaftswahl anzutreten. Leider missfielen einige Äußerungen Halouanis dem Regime von Präsident Ben Ali. So wurde ihm die Viertelstunde Fernsehauftritt, auf die er Aussicht hatte, gestrichen. Auch wurden seine Plakate nie ausgeliefert und sein Wahlprogramm blieb auf Anordnung des Innenministers in der Druckerei; ein Flugblatt wurde beschlagnahmt.

Fraglich blieb am Ende nur noch, welche Ziffer nach der Wahl am vergangenen Sonntag hinter dem Komma stehen würde: Bei den letzten drei Präsidentschaftswahlen 1989, 1994 und 1999 hatte Ben Ali offiziell zwischen 99,27 und 99,91 Prozent der Stimmen erhalten. Praktischerweise ließ das Regime auch gleich noch die Parlamentswahlen am selben Sonntag abhalten. Vorab bekannt dabei war, dass sich die Staatspartei RCD, der jeder fünfte Tunesier angehört, oft aus Gründen des Joberhalts, wie immer 80 Prozent der Sitze sichern würde. Der Rest sollte an handzahme Oppositionsparteien verteilt werden.

Eine Opposition, die nicht mitspielt, findet sich freilich woanders wieder. Tunesien weist mit 23 000 Gefängnisinsassen die vierthöchste Häftlingsrate auf, hinter den USA, Russland und Südafrika. Menschenrechtsorganisationen sprechen von 600 gewaltlosen politischen Gefangenen, mehrere Dutzend von ihnen sitzen seit Jahren in Isolationshaft. Zuletzt wurden am 22. September der trotzkistische Journalist Jalel Zoghlami, sein gewerkschaftlich aktiver Bruder Nejib sowie ihr gemeinsamer Freund Lumumba Mohsen verhaftet. Ihr Prozess beginnt am Donnerstag dieser Woche.