Tod auf dem Sinai

Anschläge in Ägypten

Wir waren vor drei Wochen zum letzten Mal da, haben die Terrorwarnung ebenso ignoriert wie die 19 israelischen Touristen, die ihre Gutgläubigkeit am Donnerstag vergangener Woche mit dem Leben bezahlten. Der Sinai, das war das Paradies, weitab von der alltäglichen Terrordrohung. In Strohhütten direkt am Strand sind wir auf harten und verdreckten Gummimatratzen zum Rauschen des Meeres eingenickt. Morgens servierte der fließend Hebräisch sprechende Beduine ein Frühstück »Israeli-Style«, und dann setzte man sich die Taucherbrille auf und lümmelte den Rest des Tages auf der Luftmatratze im Wasser. Was sich zwischen den Korallenriffen an grünen, blauen oder neongelben kleinen Nemos gegenseitig jagte, war einmalig. Abends wurde gegrillt, mit den netten Beduinen Wasserpfeife geraucht oder Backgammon gespielt. Auf dem Sinai ging es ziemlich friedlich zu.

Das Hilton passierte unsereins nur bei der Ein- und Ausreise. Zunächst: Wer will denn bitteschön Urlaub machen mit Blick auf einen Grenzposten? Dafür bot es Luxus, und man konnte zum Einkaufen schnell ins benachbarte Eilat rüberhüpfen. Im Keller gab es ein Casino, wo Israelis sich legal wirtschaftlich ruinieren durften. Hier erholten sich die älteren Jahrgänge, Menschen mit festem Einkommen, die auf fließend Wasser Wert legten und sich vor Gemeinschaftsplumpsklos ekelten.

Drei Tage nach den verheerenden Anschlägen suchen noch immer Rettungsteams mit Hunden in den Trümmern nach menschlichen Überresten. Auf Überlebende hoffen sie nicht mehr. Die meisten Opfer werden sich nur mit DNA-Tests identifizieren lassen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten klappt die Zusammenarbeit zwischen israelischen und ägyptischen Helfern reibungslos. Gemeinsam werden sie wohl auch nach den Urhebern der Anschläge fahnden, die mindestens 34 Menschen das Leben gekostet und weitere 120 verletzt haben. In Kairo und Jerusalem äußert man sich diesbezüglich nicht; eine geheimdienstliche Zusammenarbeit der Ägypter mit dem jüdischen Staat würde in der arabischen Welt wenig Zustimmung finden.

Die Israelis sind sich sicher, dass keine palästinensische Terrorgruppe hinter den Anschlägen steckte. »Vieles deutet auf al-Qaida hin«, sagte Außenminister Silwan Shalom im israelischen Fernsehen. Auch die Ägypter vermuten die Täter in der globalen Jihad-Bewegung. Allerdings hätte der Anschlag nicht ohne tatkräftige Unterstützung einheimischer Helfer verübt werden können, verlautete aus ägyptischen Sicherheitskreisen.

Einige Beduinen wurden bereits festgenommen. Sie werden verdächtigt, den Sprengstoff für die Anschläge besorgt zu haben. Ihre vom Tourismus lebenden Landsleute machen sich hingegen Sorgen, dass das lukrative Geschäft mit den Israelis ein jähes Ende gefunden haben könnte. »Ich habe gerade ein kleines Hotel gebaut und 25 neue Hütten aufgestellt«, sagt Achmed, der einen Strand südlich von Nuweiba betreibt. »Wenn die Israelis wegbleiben, kann ich den Kredit nie abzahlen.« Er hofft auf die Vergesslichkeit der Touristen. Von den 220 Gästen, die er in der letzten Woche hatte, sind ihm 18 geblieben. Der 22jährige Iftach denkt nicht daran abzureisen: »Wenn alle weg sind, ist es viel schöner hier.« Angst habe er nicht. »Es kann uns überall treffen, und ich komme seit acht Jahren an diesen Strand. Achmed ist kein Terrorist«, versichert er lachend und legt den Arm um seinen arabischen Gastgeber.

michael borgstede, nuweiba