»Das öffentliche Bewusstsein schärfen«

Eine Plakataktion begleitet die Flick-Collection. Ein Gespräch mit dem Künstler frieder schnock

Frieder Schnock und Renata Stih haben zwei Plakate zur Flick-Collection entworfen. Die KünstlerInnen verstehen ihre Aktion im Rahmen eines Projekts der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst als »dadaistische Intervention« gegen die Ausstellung. Die Plakate sind bis 30. September um den Hamburger Bahnhof und den Lehrter Bahnhof zu sehen.

Was beabsichtigen Sie mit Ihrer Aktion?

Wir versuchen unsere Kritik an der Ausstellung und ihren Hintergründen zu artikulieren. Das hat bisher nicht stattgefunden. In Zürich hat es eine vehemente Diskussion um die Flick-Collection gegeben, hier wurde das aber offenbar vergessen.

Außerdem kritisieren wir die kulturpolitische Entscheidung, die getroffen wurde. Man kann durchaus in Frage stellen, ob ein Museum wie der Hamburger Bahnhof sieben Jahre lang mit dem Privatgeschmack eines Einzelnen zugeparkt werden soll.

Woran könnte es liegen, dass es in Berlin bisher kaum Widerspruch gegen die Ausstellung gab?

Man muss ganz genau untersuchen, wie dieser Deal eingefädelt wurde und dabei die personellen Verstrickungen berücksichtigen. Flick hat nach der heftigen Kritik in Zürich als Ersatzhandlung in Potsdam eine Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus eingerichtet. Deren stellvertretende Vorsitzende, Monika Griefahn von der SPD, ist gleichzeitig die Vorsitzende des Kulturausschusses des Bundestags. Zusammen mit Antje Vollmer von den Grünen führte sie Hintergrundgespräche mit der Presse, um sie von der Wichtigkeit der Sammlung Flick zu überzeugen. So etwas ist für mich ein grundsätzliches Problem.

Sehen Sie Parallelen zur deutschen Erinnerungskultur? Flick will ja mit der Ausstellung der »dunklen« Seite seiner Familiengeschichte eine »helle« hinzufügen.

Als Flick das Museum in der Schweiz errichten wollte, protestierten deutsche Künstler, Intellektuelle und Schriftsteller und sprachen sich gegen diesen Plan aus. In Deutschland gab es nichts dergleichen. Als es um die Schweiz ging, wusste man anscheinend noch, was richtig und was falsch ist. Dabei versteht sich Berlin als Hauptstadt der Erinnerungskultur. Hier wird ja von vielen Gruppen eine aktive Erinnerungsarbeit geleistet, und auch unsere Aktion ist ein Beitrag, um das öffentliche Bewusstsein zu schärfen.

Auf einem Ihrer Plakate steht »Unsere Forderung: Freier Eintritt für ehemalige Zwangsarbeiter«. Ist das nicht angesichts der niemals erfolgten Entschädigung der Zwangsarbeiter durch Flick etwas zynisch?

Es ist natürlich schwierig, mit so einer Ironie zu arbeiten. Die Frage ist: Wie bringt der Ottonormalverbraucher, an den sich diese Aktion ebenso richtet, Zwangsarbeit in Zusammenhang mit einem Museum, über dem eine Fahne mit der Aufschrift »Flick-Collection« weht? Flick wurde immer wieder ganz energisch zum Thema Zwangsarbeit befragt, seine Antworten kamen aber nie über leere Phrasen hinaus. Er nimmt ganz offensichtlich diesen Teil der Vergangenheit und seiner Familiengeschichte nicht an.

Sie thematisieren in Ihrer Kampagne auch, dass Flick keine Steuern in Deutschland zahlt. Ihr zweiter Plakatentwurf lautet »Steuerflüchtlinge, zeigt eure Schätze!«. Stellen Sie mit Zwangsarbeit und »Steuerflucht« nicht zwei Themen nebeneinander, die nichts miteinander zu tun haben?

Man kann natürlich alles missverstehen. Aber ich denke, dass deutlich wird, wie unsere Aktion gemeint ist. Eine Plakataktion verkürzt immer, deshalb ist sie verbunden mit der Publikation »Die Kunst des Sammelns« und einer Podiumsdiskussion. Wir fragen einerseits nach der Vergangenheit und woher Flicks Vermögen kommt. Andererseits fragen wir, was er heute macht. Ob er sich seiner Verantwortung stellt oder sich nur den schönen Seiten seines Lebens zuwendet.

interview: jesko bender