Wahlkampf in der Slowakei

Meciars linker Erbe

Die slowakischen Parteien geben sich im Wahlkampf patriotisch und versprechen einen starken Staat.

Im Fernsehstudio von Bratislava ging es in der vorletzten Woche hoch her. Der amtierende Premierminister Mikulas Dzurinda und sein Herausforderer Robert Fico stritten in einem TV-Duell um die Gunst der Slowaken, die am 20. und 21. September ein neues Parlament wählen werden. Fico, Gründer der Partei Smer (Richtung), warf Dzurinda vor, dass sich dessen Politik in den vergangenen vier Jahren ausschließlich auf eine Kampagne gegen den ehemaligen Premier Vladimir Meciar beschränkt habe. Nun sei es Zeit für eine »feste Hand des Staates«.

Nach aktuellen Umfragen kann Ficos Partei Smer knapp 19 Prozent der Stimmen erwarten, Premier Dzurinda mit seiner rechtsliberalen Demokratischen Christlichen Union nur zehn Prozent. Die kompliziert strukturierte Regierungskoalition aus dem Jahr 1998, ein Zweckbündnis gegen den jahrelang autokratisch regierenden Premier Vladimir Meciar, war schon nach zwei Jahren wegen innerer Querelen zerfallen. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen.

Dzurinda »Anti-Meciarismus« vorzuwerfen, ist zwar richtig, aber es ist auch kaum verwerflich, sich gegen den ehemaligen Präsidenten zu wenden. Meciar hinterließ seinen Nachfolgern das Land in einem desaströsen Zustand. Die Justiz hatte weitgehend ihre Unabhängigkeit verloren, die staatliche Verwaltung galt als korrupt, die wirtschaftliche Situation als katastrophal und die Slowakei war außenpolitisch isoliert. Hinzu kamen mehrere Mordversuche an Oppositionellen, ein unbequemer Kriminalpolizist wurden sogar erschossen. Die Hintergründe konnten nie ganz aufgeklärt werden. Keine guten Voraussetzungen für die Regierung Dzurindas.

Doch nun scheint die Zeit von Meciar vorbei zu sein. Erstmals seit 1989 könnte der Slowakei das Schicksal erspart bleiben, dass seine Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) wieder die stärkste Partei bei den Parlamentswahlen wird. Denn die HZDS rangiert in den Umfragen derzeit knapp hinter der Smer. Und alle relevanten Parteien schließen eine Koalition mit der HZDS nach den Wahlen aus.

Von einer Normalisierung in Bratislava kann dennoch keine Rede sein. Fico ist ein nicht weniger zwielichtiger Politiker als Meciar. Seine Partei ordnet sich zwar der Linken zu, ein miefiger patriotischer Sozialismus ist aber alles, was Fico zu bieten hat. Seinen Wahlkampf bestreitet der 37jährige mit einschlägigen Vorurteilen über die Roma und die ungarische Minderheit, die immerhin zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht. Seiner Meinung nach verfügt sie bereits über mehr Rechte als andere Minderheiten in den EU-Staaten, wie etwa in Österreich.

Dass sich die Wähler nun Fico zuwenden, liegt auch an der scharfen Kritik des westlichen Auslands an der früheren Regierung Meciar. So hat die EU schon mehrmals angekündigt, dass die Slowakei niemals der Union beitreten könnte, säße Meciar abermals in der Regierung. Die USA wiederum machten deutlich, dass ein Beitritt zur Nato mit einem Minister oder gar einem Premier Meciar unmöglich sei. »Ich habe die frühere Regierung genau beobachtet. Ich sah Verletzungen der Menschenrechte, ich sah Korruption und ich sah Morde, die niemals aufgeklärt worden sind«, sagte der republikanische US-Senator John McCain in einem Vortrag in Bratislava vor drei Wochen.

Fico will, wie die meisten Bürger, den Beitritt der Slowakei zur EU und zur Nato unbedingt vorantreiben. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung nun für seine Partei stimmt, entscheidet sie sich für die gleiche Politik, die gleiche Ausländerfeindlichkeit, die gleichen Vorurteile, für die auch Meciar steht. Allerdings gibt sich Fico ein rechtsstaatliches Image und bemüht sich um ein besseres Verhältnis zur EU und zu den USA.

Mit ihrer Politik sammeln Fico und Meciar erfolgreich die Stimmen der bislang im Parlament vertretenen rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei ein. Nach den derzeitigen Umfragen kann sie nicht einmal mit drei Prozent der Stimmen rechnen und würde den Wiedereinzug ins Parlament verfehlen. Rechts von Fico und Meciar ist eben nur noch sehr wenig Platz.

Große Chancen auf ein gutes Wahlergebnis werden zurzeit auch Pavel Rusko zugesprochen. Er gilt mit seiner neu gegründeten Allianz des neuen Bürgers als aussichtsreichste Alternative zu Ficos Parole eines »starken Staates«. Hauptberuflich ist Rusko der Leiter des privaten slowakischen TV-Senders Markiza, der schon 1998 von der damaligen Regierung Meciar bedrängt wurde. Schließlich konnte er sich doch gegen alle Drohungen durchsetzen. Viele, die damals wie Rusko gegen Meciar kämpften, sehen heute in Fico den geistigen Erben des verhassten Politikers.

Ein wichtiger Faktor für Ficos Machtambitionen dürfte der mit allerlei verfassungsrechtlichen Vollmachten ausgestattete Staatspräsident Robert Schuster sein, der in Umfragen hohe Popularitätswerte erreicht. Der erbitterte Gegner Meciars hat in den vergangenen Wochen mit einer makabren Geschichte viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Seit Ende August liegt Schuster im Wiener Allgemeinen Krankenhaus, da er an einem rätselhaften Fieber erkrankte, gegen das die Ärzte in Bratislava angeblich nichts unternehmen konnten.

Seine Familie wies inzwischen die Staatsanwaltschaft an, eine mögliche Vergiftung des Präsidenten zu untersuchen. Ein ungeheurer Verdacht lähmte für kurze Zeit die Slowakei: Sollten etwa Anhänger Meciars den Präsidenten vergiftet haben, der den ehemaligen Premier nach den Wahlen niemals mit der Regierungsbildung beauftragen würde? Inzwischen hat sich Schusters Zustand wieder gebessert und er dürfte bald wieder in Bratislava sein. Die Ärzte in Wien vermuten, dass der Präsident unter einer profanen Sommergrippe leidet.