Finanzskandal um Klaus Landowsky

Dynamit statt Bankkredit

Gefährliche Orte CXXIII: Ostdeutschland und seine Plattenbauten. Klaus Landowsky hat sich hier verspekuliert.

Kennen Sie den? Ja, den mit den blühenden Landschaften? Genau, den Witz kennt jeder, der hat schon einen Bart. Und deshalb ist er nur noch halb so lustig. Das Witzige daran ist nur, dass es tatsächlich welche gibt, die daran geglaubt haben. Sogar Leute, die man zwar aus nahe liegenden Gründen nicht leiden kann, die aber durchaus klug sind. Zumindest wenn man Klugheit mit der Bauernschläue gleichsetzt, überall das meiste für sich herauszuholen.

Einer dieser Bauern ist Klaus Landowsky, seit fast 20 Jahren zentrale Figur der Westberliner CDU, engster Freund des Regierenden Bürgermeisters und Vorsitzenden der Landes-CDU, Eberhard Diepgen. Und das Hassobjekt sämtlicher Linker der Stadt spätestens seit seiner berüchtigten Rattenrede, als er Hausbesetzer mit »Ratten« und »Gesindel« verglich.

Geschadet hat ihm das nicht. Dafür sein Glaube an die blühenden Landschaften im Osten. Denn Landowsky ist nicht nur Vorsitzender der CDU-Fraktion, sondern auch des Vorstands der Berlin Hyp, der Immobilientochter der landeseigenen Bankgesellschaft Berlin. Die ist jetzt in große Schwierigkeiten geraten, weil sie - wie man sich erzählt - nach externen Prüfungen durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen einen Haufen Geld für aufgelaufene Verluste zusammenkratzen muss. Verluste, die aus Landowskys Glauben an die Blüte in Ostdeutschland entstanden sind.

Mitte der neunziger Jahre soll er zwei Westberliner CDU-Freunden, die keine Ahnung vom Immobiliengeschäft hatten, Kredite in Höhe von 700 Millionen Mark verschafft haben. Damit kauften die beiden Goldgräber rund 16 000 Plattenbauten im Osten. Diese sollten saniert und anschließend weiterverkauft werden - an die bisherigen Mieter oder an Großinvestoren. Damals jammerten viele Konkurrenten, weil sie wegen des »Filzes« keine Kohle abbekommen haben.

Die Jammerer dürften jetzt zufrieden sein. Denn das Geschäft mit den Plattenbauten ging wie so viele Deals, mit denen im Osten die schnelle Mark gemacht werden sollte, gründlich schief. Diesmal nur hat die Marktwirtschaft keine dämlichen Ossis, sondern erfahrene CDU-Kader aus dem Westen reingelegt, weil sie ihrem großen heimlichen Vorsitzenden alles geglaubt hatten. Ohne Marktanalyse.

Jedenfalls kam es, wie es kommen musste. Die Plattenbauten wollte keiner haben. Die Ostler verjagen nämlich nicht nur jeden Ausländer, sondern suchen in Scharen auch selber den weiten Westen, weil es in der Zone keine Jobs gibt. Mittlerweile haben die fünf Bundesländer im Osten weniger Einwohner als Nordrhein-Westfalen.

Und die Zurückgebliebenen wollten zumeist nicht mehr in den Plattenbauten wohnen, mit denen die von den Bauhaus-Ideen inspirierten DDR-Architekten einst billigen und anständigen Wohnraum für alle schaffen wollten: hell, warm, mit Fahrstuhl und Müllschlucker. Leider schaffen gute Ideen noch lange keine guten Menschen, und deshalb müssen jetzt hauptsächlich Arme, Russlanddeutsche und Vietnamesen in der Platte wohnen.

Klar, dass die Berlin-Hyp ihre Kredite buchstäblich in den märkischen Sand gesetzt hat. Zwar ist das nicht die einzige Kohle, die sinnlos im Osten verpulvert wurde. Aber diese könnte jetzt den CDU-Fraktionschef Landowsky, den die »Erben der Scherben« in ihrer Version des Rauchhaus-Songs aus Kreuzberg vertreiben wollten, zu Fall bringen. Immerhin fordern die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dieser solle Licht in das dunkle Plattenbaugeschäft bei der Bankgesellschaft bringen.

Da aber Marktwirtschaft und Korruption mindestens so eng zusammengehören wie Diepgen und Landowsky, hat der grüne Fraktionschef Wolfgang Wieland jetzt neue Vorwürfe gegen die Berlin-Hyp hervorgekramt. Demnach soll es bei der Bank ein ausgeklügeltes Geflecht von Strohmännern und vor allem -frauen gegeben haben, um Bilanzmanipulationen in Höhe von drei Milliarden Mark vorzunehmen und an Kredite zu kommen. Die Ehefrauen der Bankmanager sollen dabei als persönlich haftende Gesellschafterinnen Immobilienfonds organisiert haben. Beweisen kann Wieland die Vorwürfe bislang nicht. Er hält allerdings seinen Informanten für seriös. Landowsky hatte jedenfalls seine Antwort schnell parat: die Vorwürfe seien »unerhört und falsch«. Zudem prüfe die Bank, ob sie rechtlich gegen Wieland vorgehen könne.

Nichts ist spannender als Wirtschaft, weiß ein Magazin. Für Freunde der Kriminalgeschichte trifft das mit Sicherheit zu. Wenn es um viel Geld geht, übertreffen reale Intrigen die Fernsehserien deutlich. Ist Wieland vielleicht auf Landowsky hereingefallen? Hat der CDU-Altmeister im Strippenziehen - wie schon gemunkelt wird - einen falschen Informanten losgeschickt, um Wieland zu diskreditieren?

Sollte aber an den Vorwürfen gegen die Berlin-Hyp etwas dran sein, könnte tatsächlich das Unerwartete eintreten. Dass der Mann stürzt, der die Berliner Stadtreinigungsbetriebe vor dem Verkauf gerettet und damit Tausende Arbeitsplätze in der Stadt zunächst gesichert hat und so die »Lehre« aus dem Verkauf des städtischen Stromversorgers Bewag zog, der jetzt von einem Hamburger Konzern geschluckt und zur Stromverteilerdose gemacht wird.

Landowsky ist in jedem Fall noch ein Geschäft zu gönnen, bevor er abdankt. Ein bombensicheres in der Immobilienbranche. Dabei muss er nur die bauernschlaue Goldgräberweisheit beherzigen, wer reich werden will, solle kein Gold suchen, sondern Schaufeln und Schürfeisen verkaufen. Landowsky braucht nur die Seite zu wechseln. Schließlich werden im Osten jetzt Unmengen Dynamit gebraucht für den Abriss von Plattenbauten. Wenn es nach denen ginge, die sich für etwas mehr Zivilisation in der braunen Zone einsetzen, ließe sich das Engagement getrost ausweiten. Von Rostock bis nach Jena-Süd: Dyna-, Dyna-, Dynamit!