Sri Lanka nach den Wahlen

Persilschein aus Übersee

Frei und fair waren die Wahlen in Sri Lanka, meint die europäische Beobachtungskommission. Jetzt kann wieder Entwicklungshilfe fließen.

Als am vergangenen Donnerstag ein Selbstmordattentäter in Colombo sich und zwei weitere Menschen mit einer Bombe tötete, bot das kaum genügend Gesprächsstoff für einen Tag. Zu viele Tote gab es während des Wahlkampfs - 35 sollen auf das Konto der Tamil Tigers (LTTE) gehen, mindestens 17 Menschen wurden von Anhängern rivalisierender Parteien ermordet. Einen Tag später erschossen Unbekannte den tamilischen BBC-Korrespondenten Mylvanagam Nimalarajan in Jaffna. Die toten Zivilisten im Kriegsgebiet zählt kaum jemand mehr.

In Europa war zu lesen, die Wahlen seien ein »Referendum für eine Verfassungsänderung« gewesen, die den »ethnischen Konflikt« beenden soll. Im Land selbst redet niemand mehr von dieser Verfassungsänderung, die einen Teil der Zentralgewalt an Provinzräte übertragen sollte. Als im August klar wurde, dass nicht einmal die so genannten gemäßigten Tamilenparteien die Vorlage unterstützen, strich die Regierung sie von der Tagesordnung. Noch wenige Tage vor der Wahl verkündete Premierminister Ratnasiri Wickremanayake: »Die Regierung ist entschlossen, mittels Krieg den Terrorismus aus diesem Land zu eliminieren.«

Das Resümee der europäischen Wahlbeobachter-Kommission, wonach die Wahlen bis auf »geringfügige Vorkommnisse frei und fair« verlaufen seien, stieß im Land selbst auf Unverständnis. Dass der Wahlleiter die Ergebnisse aus 22 Wahllokalen annullieren ließ, hielt den Kommissionsleiter John Cushnahan nicht davon ab festzustellen: »Das Ergebnis spiegelt den politischen Willen der Wähler wider.«

Woher er das weiß, bleibt sein Geheimnis. Schon vor den Wahlen gab es mehr als 1 700 Beschwerden über gewaltsame Übergriffe, Drohungen und Erpressungsversuche. Mehr als die Hälfte der Angriffe wurde den Beschwerdeführern zufolge von Anhängern der regierende People's Alliance (PA) verübt. Juristisch verfolgt werden solche Vorfälle so gut wie nie, schon gar nicht, wenn eine Regierung im Amt bleibt.

In acht der 20 Wahlbezirke Sri Lankas hätten Gewalt, Erpressung und gefälschte Wahlzettel die Ergebnisse verzerrt, meldeten zwei einheimische Beobachtungskommissionen. Zwei Bezirke im Kriegsgebiet, Jaffna und Vanni, fehlen ohnehin in dieser Rechnung - es ist ein offenes Geheimnis, dass die im Regierungsbündnis vertretene tamilische EPDP hier nur mit Betrug und Gewalt ihre Stimmenmehrheit ergaunerte.

Über die Situation im Kriegsgebiet berichtet der neu gewählte Abgeordnete des All Ceylon Tamil Congress (ACTC) Vinayagamoorthy: »Die Armee feuert wahllos mit Granaten und bombardiert die Jaffna-Halbinsel flächendeckend mit Kfir-Flugzeugen. Sie treffen nicht die LTTE, sondern töten nur die Zivilisten. Weil sie die Tigers nicht treffen können. Sie wissen nicht, wo ihre Ziele sind.«

»Weiter so«, lautet die Botschaft aus Europa, und Präsidentin Chandrika Kumaratunga dürfte ob des Persilscheins der Wahlbeobachter kräftig durchgeatmet haben. Denn »freie und faire« Wahlen waren eine der Bedingungen, die die westlichen Geberländer gestellt hatten, um die seit einem Jahr ausgesetzte Entwicklungshilfe wieder fließen zu lassen.

Vom Wahlergebnis selbst hatte Kumaratunga sich mehr versprochen. Ihre PA kann nur mit Unterstützung der Partei der islamischen Minderheit regieren. In der Hauptstadt Colombo verlor die PA bereits ihre Mehrheit. Mit der steigenden Inflation wird auch die soziale Unzufriedenheit wachsen - es fragt sich nur, welchen Ausdruck sie findet.

In den Zeitungen warnen singhalesische Kommentatoren: »Wir werden von den Minderheiten erpresst.« Schon der Wahlkampf war so stark wie lange nicht vom singhalesisch-buddhistischen Nationalismus geprägt.

Der Konflikt zwischen der singhalesischen Regierung und den Tamilen, die knapp 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, erhitzt die singhalesische Bevölkerung. Die faschistische Sihala Urumaya (»singhalesisches Erbe«) schaffte es, in nur drei Monaten den großen Parteien den Rhythmus vorzugeben. Mit einem rein »ideologischen« Wahlkampf, ohne die üblichen materiellen Versprechungen, errang die SU auf Anhieb einen Sitz und wurde in fünf Wahlbezirken Colombos sogar drittstärkste Kraft.

Auch die ehemals linke »Volksbefreiungsfront« JVP setzte auf Rassismus. Auftretend im Revoluzzer-Outfit, bezeichnete etwa deren Chef-Agitator, Wimal Weerawansa, den LTTE-Chef Prabhakaran als »Vasavarthiya« (Dämonenkönig). Die Wähler dankten es der einst bewaffneten JVP mit zehn Sitzen und machten sie zur drittstärksten Kraft im Parlament. Ihre Botschaft ist einfach: Die »kapitalistischen« Parteien lieferten das Land insgeheim den tamilischen »Separatisten« und den »Imperialisten« aus, die nur das eine Ziel verfolgten, das Land zu teilen.

Verschwörungstheorien waren in Sri Lanka schon immer populär. Auch die großen Parteien überboten sich im Wahlkampf mit Stories, die jeweils andere Seite konspiriere mit den Tamil Tigers.

Völlig von der Bildfläche verschwunden sind die traditionellen linken Parteien. Unter dem Mantel der PA schafften es weder Kandidaten der CP noch der LSSP. Auch die trotzkistische NSSP, bisher die einzige singhalesische Kraft mit antinationalistischem Programm, gewann nicht einen Sitz.

Wegen des Krieges und der Manipulationen im Norden und Osten lassen die dortigen Ergebnisse kaum Rückschlüsse auf den Willen der tamilischen Wähler zu. Die so genannten gemäßigten Tamilenparteien sind finanziell und militärisch eng mit der Regierung verzahnt, was sie in der Vergangenheit immer wieder zur Zielscheibe der Tigers machte. Dennoch demonstrieren Telo und Tulf zur Zeit eine gewisse Nähe zur LTTE, indem sie einen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien und der LTTE fordern. Beide Parteien bezichtigen die mit der PA verbündete EPDP des Mordes an dem BBC-Journalisten Nimalarajan.

Als hätte es den Wahlkampf nie gegeben, zeigte die Regierung in der Woche nach der Wahl wieder ihr spezielles Gesicht für die »Internationale Gemeinschaft«. »Vollständig entschlossen«, versicherte Außenminister Kadirgamar auf seinem Staatsbesuch in Norwegen, stehe sie zu einer politischen Lösung des »ethnischen Problems«, das zu Wahlkampfzeiten noch »Terroristenproblem« geheißen hatte. In einer persönlichen Note betonte die Präsidentin, sie freue sich auf weitere Friedensbemühungen aus Oslo.

Einen Wunschzettel hatte Kadirgamar auch im Gepäck. Die norwegische Regierung möge doch bitte »Maßnahmen ergreifen, um Frontorganisationen der LTTE in Norwegen am Geldsammeln zu hindern«. In diesem Punkt kommt Europa der Regierung in Colombo derzeit gern entgegen: Über 3 000 Tamilen wurden aus europäischen Staaten allein in diesem Jahr nach Sri Lanka abgeschoben.