Wahlniederlage für Colorados

Intrigenspiel in Asunción

In Paraguay wankt die Polit-Oligarchie: Bei den Vizepräsidentschaftswahlen haben die Colorados einen Dämpfer erhalten.

Neunzig Prozent der Stimmen bei den Vizepräsidentschaftswahlen waren ausgezählt, der Kandidat der liberalen Oppositionspartei, Julio César »Yoyito« Franco, lag mit 47,7 gegenüber 46,9 Prozent seines Mitbewerbers in Führung, als das Oberste Wahlgericht Paraguays die Auszählung stoppte und die Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses auf den 24. August vertagte.

Begründet wurde der Schritt damit, dass wegen des knappen Resultats die Stimmen noch einmal nachgezählt werden müssten - eine Entscheidung, die bei der Opposition den Verdacht eines Wahlbetrugs weckte. Denn sollte Franco sich gegenüber den Kandidaten der Colorado-Partei, Félix Arga-a, durchsetzen, wäre deren politische Vorherrschaft in Paraguay nach 53 Jahren gebrochen - für Coloradistas wie den Parlamentsvorsitzenden Juan Carlos Galaverna undenkbar. Seine Partei werde einen liberalen Vizepräsidenten unter keinen Umständen akzeptieren, machte Galaverna schon vor den Wahlen klar. Sein Parteichef, Bader Rachid, ging noch einen Schritt weiter und drohte mit Bürgerkrieg, wenn die Liberalen die Wahl gewinnen würden.

Ohne die unfreiwillige Hilfe aus dem Colorado-Lager wäre dies allerdings undenkbar, denn genauso wie die Colorado-Partei ist die Opposition intern heftig zerstritten. Franco ging deshalb ein fragwürdiges Bündnis mit dem Ex-General Lino Oviedo ein, der in einem brasilianischen Gefängnis in Auslieferungshaft sitzt. Oviedo appellierte daraufhin an seine immer noch recht zahlreiche Gefolgschaft innerhalb und außerhalb der Colorado-Partei, den liberalen Kandidaten zu wählen.

Die Rechnung wäre beinahe aufgegangen, hätte nicht die Wahlbehörde, die von Anhängern der Regierungspartei dominiert wird, den beiden vorläufig einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein knappes amtliches Endergebnis zu Gunsten des Colorado-Kandidaten Félix Arga-a wäre keine Überraschung für viele der zwei Millionen Wahlberechtigten. Ohnehin haben sich nur knapp 50 Prozent zu den Urnen bemüht. Vier Prozent der Wähler stimmten ungültig, um ihren Protest gegen ein hochkorruptes politisches Establishment zum Ausdruck zu bringen.

Die Polit-Groteske, die den Stoff für eine Telenovela voller Intrigen liefern könnte, zieht sich nun schon einige Jahre hin. Ihr wichtigster Protagonist, Lino Oviedo, agiert seit dem März letzten Jahres vornehmlich aus dem Ausland. Ihm wird der Mord am damaligen Vizepräsidenten Luis Mar'a Arga-a - dem Vater des Colorado-Kandidaten Felix - angelastet, der Anfang März von Killern auf der Straße erschossen wurde.

Arga-a war einer der einflussreichsten Gegenspieler Oviedos, als dieser sich 1998 zum Präsidentschaftskandidaten nominieren lassen wollte. Diesen Plan vereitelten Arga-a und der ehemalige Präsident Juan Carlos Wasmosy, indem sie einen Prozess gegen Oviedo anstrengten - wegen seines Putschversuchs vom Juli 1996. Der damalige Coup der beiden Colorado-Größen gegen das aufstrebende Colorado-Mitglied bremste Oviedo aus. Die angestrebte Präsidentschaft war vereitelt, weshalb, so die Argumentation der Oviedo-Gegner, der Ex-General seinen Widersacher ermorden ließ.

Dafür gibt es zwar kaum handfeste Beweise, aber Oviedo ging auf Nummer sicher und setzte sich nach Argentinien ab, wo er sich der Unterstützung des damaligen Präsidenten Carlos Menem gewiss sein konnte. Als der am 10. Dezember 1999 den Präsidentenpalast räumen musste, verzog sich Oviedo nach Brasilien. Irgendwo im Grenzgebiet zwischen Paraguay, Bolivien und Brasilien tauchte der ehrgeizige Putschgeneral unter, gab der paraguayanischen Presse hin und wieder Interviews und kritisierte dabei nicht nur die Wirtschaftspolitik des amtierenden Präsidenten Luis Angel González Macchi.

Auch hinter dem Putschversuch vom 19. Mai, der schnell niedergeschlagen wurde, soll der umtriebige Oviedo gesteckt haben. Die Regierung in Asunci-n erwirkte einen internationalen Haftbefehl, worauf der 56jährige Oviedo am 11. Juni in der brasilianischen Grenzstadt Foz do IguaVœ festgenommen wurde. Ein formelles Auslieferungsbegehren Paraguays wird derzeit noch erstellt, aber an seiner Auslieferung zweifelt auch Oviedo nicht, der nach einer brasilianischen Studie ins Drogen- und Schmuggelgeschäft im Grenzgebiet verwickelt ist.

Aus diesem Grunde ist er auch das Bündnis mit »Yoyito« Franco eingegangen. Franco, ein 48jähriger Chirurg, soll ihm - im Austausch für die Stimmen seiner Anhänger - als Vizepräsident einen »fairen« Prozess garantieren. Soweit ist es zwar noch nicht, auch wenn sich der populistisch auftretende Franco bereits selbst zum Wahlsieger erklärt hat. Als demokratisch legitimierter Vizepräsident besäße er einen Trumpf gegenüber dem amtierenden Präsidenten Macchi.

Macchi, der ehemalige Senatspräsident, bezog den Präsidentenpalast im März letzten Jahres, nachdem der damalige Präsident Raœl Cubas wegen seiner möglichen Verwicklung in das Attentat auf Arga-a zum Rücktritt gezwungen worden war. Einem Prozess entzog sich Cubas, der mit Oviedo eng befreundet ist, durch seine Flucht nach Brasilien.

Der Nachfolge-Präsident Macchi hat es jedoch nach seiner Vereidigung abgelehnt, sich zur Wahl zu stellen. Ihm fehlt somit die Legitimität, die Franco für sich in Anspruch nimmt. Dieser kündigte bereits im Wahlkampf an, dass er den Präsidenten nicht unbehelligt schalten und walten lassen werde. Macchi müsse »funktionieren oder gehen«.

Dabei dürfte er ganz im Sinne Oviedos gesprochen haben, der die Entwicklung aus dem Gefängnis in Brasilien besonders aufmerksam verfolgt. Für ihn bedeutet der Wahlausgang nicht weniger als die Entscheidung über Gefängnis oder Freiheit.