Abschiebung von Kosovo-Flüchtlingen

Ende der Schonfrist

Die Aufenthaltserlaubnis für viele Kosovo-Flüchtlinge läuft aus. Besonders Roma müssen in ein ihnen feindlich gesinntes Land zurückkehren.

Seit einigen Wochen schon werfen Laserdrucker in den Ausländerbehörden der deutschen Städte und Gemeinden vermehrt Ausreise-Aufforderungen in das Kosovo aus: Für viele der so genannten 15 000 Kontingent-Flüchtlinge, die die Bundesrepublik während des Jugoslawien-Krieges aufnahm, läuft Ende Mai die Aufenthaltsfrist aus. Die meisten derjenigen jedoch, die es während des Nato-Bombenkrieges gegen Jugoslawien bis in die Bundesrepublik geschafft haben, wollen nicht freiwillig ausreisen.

Von der Abschiebung bedroht sind auch jene, die nach dem Einmarsch der Nato im Juni vergangenen Jahres nicht vor serbischen Einheiten, sondern vor dem nationalen Terror früherer Mitglieder der Kosovo-Befreiungsarmee UCK flohen - dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge mindestens 210 000 Kosovo-Serben, Muslime und Roma, von denen der Großteil in Serbien und Montenegro Zuflucht fand.

In Deutschland sind nach Angaben des Roma National Congress (RNC) - einem internationalen Dachverband für die Rechte von Roma mit Sitz in Hamburg - zwischen 5 000 und 8 000 Roma aus dem Kosovo von der Abschiebe-Androhung betroffen. Die Mitleids-Schwelle deutscher Politiker, die die Flüchtlinge letztes Jahr noch gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic in Anschlag bringen konnten, ist überschritten: Fritz Behrens etwa, Innenminister von Nordrhein-Westfalen und amtierender Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK), erklärte vergangene Woche, dass eine Rückkehr der Kosovo-Albaner möglich und nötig sei. Den unerwünschten Minderheiten im Kosovo gesteht er lediglich ein kurzes Bleiberecht zu: »Serben, Roma und Aschkali werden derzeit allerdings geduldet.«

Und auch Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) verkündet seit Wochen, dass die Zeit für die Flüchtlinge, in das Kosovo zurückzukehren, nun gekommen sei. Allein 870 Neu-Hamburger haben seit Mitte April Ausreise-Aufforderungen erhalten - darunter auch 400 als Roma registrierte Kosovo-Flüchtlinge. Ende vergangenen Monats betonte Wrocklage generös, diese würden nicht abgeschoben, »weil sie derzeit nicht gefahrlos zurückkehren können«.

Doch der Roma National Congress traut der Aussage Wrocklages nicht. RNC-Sprecher Rudko Kawczynski erklärte Mitte Mai, dass sich alle international arbeitenden Menschenrechts-Organisationen einig seien, »dass es für Roma kein Zurück mehr, keine Heimat mehr im Kosovo gibt«. Sein Urteil ist eindeutig: »Wer Roma abschiebt, schickt sie in den Tod.« Seit über zehn Monaten schon bemühe sich der RNC um einen Termin sowohl bei Außenminister Joseph Fischer als auch bei Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), um über das weitere Aufenthaltrecht für Roma aus dem Kosovo zu sprechen - vergebens.

Unterstützt werden die Menschenrechtler in ihrer Kritik vom Uno-Verwalter für das Kosovo, dem Franzosen Bernard Kouchner. Im Spiegel monierte er vor zwei Wochen die von Deutschland forcierte Rückkehr der Flüchtlinge in das Kosovo. Erwartungen, für eine große Welle von Rückkehrern gebe es genügend Jobs, seien »schlichtweg falsch«, schimpfte der Protektorats-Chef: »Wir wollen keine neuen Krisen produzieren, wir haben uns gerade mal über den Winter gerettet.«

Kouchner reagierte mit seiner schroffen Absage an die deutsche Abschiebe-Politik auf Äußerungen von Innenminister Schily, der die Rückkehrer zur Mitarbeit beim Aufbau des Nato-Protektorates aufgefordert hatte: Schließlich, so Schily Mitte Mai, zahle die Bundesregierung freiwilligen Rückkehrern pro Familie 1350 Mark und übernehme die Transportkosten. Darüber hinaus habe Deutschland 1999 bereits über 1,5 Milliarden Mark in das Kosovo gesteckt, dieses Jahr sollen es 2,2 Milliarden sein. Angesichts dieser »beispielhaften Aufbau- und Unterstützungsleistungen« sei es auch nicht nachvollziehbar, weshalb Kouchner eine Aufstockung der deutschen Hilfen gefordert habe.

Die Schonfrist jedenfalls ist vorüber: Während viele der zu Beginn des Nato-Krieges im Fernsehen gezeigten Flüchtlinge Roma waren, die zur Legitimation der Bombardierung Jugoslawiens dienten, sind sie heute nicht mehr erwünscht. Und das, obwohl sie vielleicht die größten Opfer zu bringen hatten. So erklärte Kurt Holl vom Kölner Rom e.V. schon im Juli 1999: »Im Kosovokrieg trafen Nato-Bomben zahlreiche Roma-Viertel und zwar deswegen, weil Roma oft in der Nähe von Zielen wie Flughäfen, Kasernen, Raffinerien, Chemiefabriken etc., also in von der Mehrheitsbevölkerung gemiedenen Gebieten, siedeln.«

Auch wenn sich der Aggressor geändert hat, sind Roma ein Jahr später immer noch bedroht. Und das nicht nur im Kosovo, sondern in ganz Jugoslawien: So überfielen, dem Hamburger Romnews Network zufolge, am 10. Mai Schüler und Skins eine 14jährige Rom auf dem Weg in ihre Belgrader Schule. Siebzehn Mal stachen die Täter auf das Mädchen ein, während sie riefen, dass »Zigeunerblut aus ihr fließen« werde. Das Mädchen überlebte.

Doch nicht nur für Roma, auch für andere Minderheiten stellt sich die deutsche Ausweise-Politik zunehmend problematisch dar: Avdyl Jasku etwa aus dem westfälischen Westerkappeln rechnet sich der Minderheit der Aschkali zu - und hat Angst vor seiner baldigen Abschiebung. Da die deutschen Ausländerbehörden bis Ende 1999 nicht zwischen Albanern und Aschkali unterschieden, erwähnten dies viele Flüchtlinge nicht, als sie ihren Asylantrag stellten. Flüchtlingsbetreuer sehen sich so gezwungen, ethnische Kriterien zu akzeptieren, um die Verlängerungen der Aufenthaltserlaubnisse zu erreichen. Christel Franke, die sich für das Bleiberecht von Avdyl Jasku als verfolgtem Aschkali einsetzt, sagte der Tageszeitung Westfälische Nachrichten: »Nun gibt es Probleme, diese Tatsache den Behörden glaubhaft zu machen.«