Separatisten und Steckbriefe

Mit einem Bombenanschlag hat die Eta den spanischen Wahlkampf eröffnet.

Offiziell begann die Wahlwerbung am 25. Februar, inoffiziell drei Tage zuvor. Denn am 22. Februar mischte sich eine Organisation in den Wahlkampf ein, die den spanischen Staat und seine Institutionen nicht anerkennt. Die Eta (»Baskenland und Freiheit«) tötete mit einer ferngezündeten Autobombe Fernando Buesa und Jorge D'ez Elorza - knapp drei Wochen vor den landesweiten Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Senat am 12. März. In Andalusien wird zeitgleich zum Regionalparlament neu abgestimmt.

Dieser zweite Autobomben-Anschlag seit dem Ende der Eta-Waffenruhe im Dezember stieß auf breite Empörung. Buesa war von 1991 bis 1995 stellvertretender Chef der Regionalregierung im Baskenland. Er saß für die PSOE, die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens, in einer Koalitionsregierung mit der konservativen Baskisch-Nationalistischen Partei PNV.

Der Anschlag lässt sich nur aus einer militaristischen Logik nachvollziehen. Dazu aber sind selbst viele Mitglieder des linksnationalistischen baskischen Wahlbündnisses Baskische Bürger (EH) nicht mehr bereit. So erklärte die EH-Abgeordnete Milagros Rubio, bis zum 26. Februar Abgeordnete von EH, im Provinzparlament von Navarra ihre »vollständige Missbilligung»: Nichts rechtfertige heute Attentate mit tödlichem Ausgang.

Rubio ist Mitglied der linken Partei Batzarre (»Versammlung«), die am 26. Februar beschloss, aus dem Wahlbündnis EH auszutreten. Batzarre kooperiert eng mit der aus Linksabspaltungen der Eta entstandenen Organisation Zutik (»Die Aufrechten«). Auch Zutik kritisierte den Anschlag scharf. Aber solche Stimmen gehen unter. Die spanisch-nationalen Parteien und Medien rufen nach mehr Repression: Wer sich jetzt nicht von der Eta distanziere, sei ein Mörder. In der Tageszeitung El Mundo wurden - wie auf einem Steckbrief - Fotos von Abgeordneten der EH im Regionalparlament abgedruckt.

Die in Spanien seit 1996 regierende konservative Volkspartei (PP) hat ihr Wahlkampfthema gefunden: Jetzt habe der Kampf gegen den Eta-Terror Vorrang, tönte Ministerpräsident und PP-Chef José Maria Aznar: »Nach allem, was in diesem Land passiert ist, ist es skandalös, dass die PNV ihre Kontakte zu den politischen Verbündeten der Eta nicht abbricht.«

Dabei hatte die PNV schon im Januar die Zusammenarbeit mit EH aufgekündigt. Und nach dem Anschlag auf Buesa erklärte sie, die Eta sei überflüssig, eine Kooperation mit EH werde es im Regionalparlament nicht wieder geben, solange sich EH nicht von der Eta distanziere. Trotzdem organisierte die regionale PP im Baskenland Demonstrationen, auf denen der Rücktritt der PNV-Regionalregierung gefordert wurde.

Die PP verspricht sich eine Mobilisierung für die Wahlen, zumal die Verteidigung der unteilbaren Nation Spanien gut zu ihr passt: Während der Franco-Diktatur, nach deren Transformation in eine Demokratie sich viele franquistische Funktionäre in der PP weiter engagierten, wurde der Zentralstaat gegen alle regionalistischen Interessen aufrechterhalten. Unter Aznar hat die PP es geschafft, sich modern zu geben und nicht mehr mit Franco assoziiert zu werden. Das war ein wesentlicher Grund für ihren Wahlsieg über die PSOE bei den letzten Wahlen 1996.

Aznar rühmt sich heute, bei der Integration Spaniens in die EU und beim Wirtschaftsaufschwung erfolgreich gewesen zu sein - obwohl es die PSOE war, die 1986 den Beitritt zu Nato und EU in die Wege leitete. Die früheren WählerInnen der Linksparteien, die, enttäuscht von der PSOE, 1996 der Wahl fernblieben oder ihr Kreuz bei der IU, der Vereinigten Linken um die spanische KP machten, könnten nun die Wahl am 12. März entscheiden. Aber viele zögern, ob sie wählen gehen.

Die zentralen Wahl-Slogans der drei großen Parteien sind nicht besonders motivierend: »Vorwärts zum Mehr«, »Wir sind die Nächsten« und »Wir sind nötig«. Das erste Motto ist von der PP, die mit Aznar als seriösem Staatsmann wirbt. Der zweite Spruch stammt von der PSOE, deren Spitzenkandidat Joaquin Almunia als typischer Vertreter des modernisierten Parteiapparates auftritt: nicht links, sondern als eine Art ältere Kopie von Aznar.

Die dritte Parole kommt von IU. Ihr Spitzenkandidat Francisco Frutos ist Vorsitzender der KP. Der 61jährige hat schon gegen die Franco-Diktatur gekämpft. Jüngst erklärte er, die Namen der 125 reichsten Familien Spaniens, die jetzt in den Konzernen und Banken das Sagen hätten, noch aus der Franco-Zeit zu kennen. Frutos bemüht sich vor allem, im Bündnis mit der PSOE ein verlässlicher Juniorpartner zu sein - PSOE und IU haben ein gemeinsames Wahlprogramm unterschrieben.

Was von der PP als rein kommunistisches Programm gedeutet wird, ist in der Realität eine Ansammlung von vorsichtigen Absichtserklärungen: So wird z.B. die 35-Stunden-Woche versprochen. PSOE-Chef Almunia hat jedoch schon erklärt, dies sei nur eine Empfehlung an die Tarifparteien. Frutos erwiderte, die IU werde auf einer gesetzlichen Regelung bestehen. Dass sich die IU gegen die PSOE und die Kapitalverbände durchsetzen kann, ist aber kaum anzunehmen.

Die restlichen Parteien im Zentralparlament sind regionale Kräfte. Wie die PNV im Baskenland, so dominiert das Parteienbündnis Übereinstimmung und Union (CiU) die Region Katalonien. Die derzeitige PP-Regierung war nur möglich, weil Aznar sich die Stimmen der größeren Regionalparteien mit Zugeständnissen für deren regionalistische Interessen gesichert hat. Die Fortsetzung dieser Zusammenarbeit dürfte schwierig werden: Mit der PNV hat sich die PP völlig überworfen.

Hinzu kommt, dass im Wahlprogramm von PSOE und IU die Autonomie der Regionen gegenüber dem Zentralstaat betont wird. Darüber freut sich die PNV, und auch viele WählerInnen der CiU befürworten ein Bündnis mit der PSOE. Beide Regionalparteien setzen sich dafür ein, die vollständige Steuerhoheit zu erhalten: Keine Pesete soll aus dem industrialisierten Norden Spaniens in den ärmeren agrarischen Süden transferiert werden.

Für den Norden der EU als billige Werkbank sowie als Obst- und Gemüse-Lieferant zu fungieren, hat zwar dafür gesorgt, dass es in Spanien ein für die EU überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum gibt. Dennoch erreicht das Bruttoinlandsprodukt (Bip) nur in wenigen Regionen den EU-Durchschnitt: Auf den Balearen wegen des Tourismus, in Madrid und in Katalonien.

Liegt schon das Baskenland deutlich hinter diesen Werten zurück, so werden in Andalusien gerade mal 58 Prozent des durchschnittlichen EU-Bip erwirtschaftet, in Extremadura sind es noch einmal vier Prozent weniger. Hier leben viele TagelöhnerInnen und ArbeitsmigrantInnen ohne Papiere, die für einen Hungerlohn in Plantagen oder Gewächshäusern arbeiten.

Zwar haben die PlantagearbeiterInnen im südandalusischen El Ejido - nach rassistischen Angriffen, bei denen ihre Unterkünfte niedergebrannt wurden (Jungle World, 9/00) - ihren Streik vorerst ausgesetzt, um den staatlichen Stellen Zeit zu geben, Unterkünfte zu bauen und Entschädigungen zu zahlen. Stichtag für die Wiederaufnahme des Streiks ist aber der 14. März - zwei Tage nach der Wahl. Die MigrantInnen wollen das Wahlergebnis abwarten, um danach an ihre Forderungen zu erinnern. Das wird auch nötig sein.