Welcome, Germany, to Vodafone!

Die Pläne für eine unfreundliche Übernahme des Telekom-Konzerns Mannesmann provozieren in Deutschland hysterische Reaktionen.

Einsam sitzt Mannesmann-Chef Klaus Esser in seiner Düsseldorfer Konzernzentrale und grübelt, wie er den Feind noch schlagen kann. Seitdem der transnationale Konzern Vodafone-AirTouch angekündigt hat, Mannesmann zu übernehmen, ist Esser der Mann der Stunde. Seitdem ist er nicht mehr ein unscheinbarer Technokrat, sondern ein "Superhirn" (Bild), das den Ausverkauf verhindern soll.

Mannesmann, der Kampf geht weiter: Denn dass die Globalisierung einmal bis zum Rhein vordringt, damit hat in Deutschland anscheimend niemand gerechnet. Nun ist der Schrecken groß. "Ich bin nicht gegen ausländische Beteiligungen an deutschen Unternehmen, doch gegen bestimmte Methoden, die dabei angewendet werden", geißelte Bundeskanzler Gerhard Schröder vergangene Woche die Übernahme-Pläne. So populär war er in letzter Zeit nur selten. Gewerkschaften, Parteien und Unternehmer - alle sind sich einig, dass die Perle der deutschen Industrie gerettet werden muss.

Unter dem "Deckmantel der Globalisierung" könnten sich einige wenige Mega-Konzerne herausbilden, befürchtet etwa der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt, der bisher mit der weltweiten Liberalisierung wenig Probleme hatte. Jetzt fordert er ein "internationales Regelwerk" gegen feindliche Übernahmen. Und ein "Zerschlagungsverbot" im EU-Recht für "gesunde Unternehmen" will nicht die DKP-Ortsgruppe Ratingen, sondern Hans Peter Stihl, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages. Prägnanter formulierte nur noch Bild. "Die Engländer kommen", titelte die Zeitung - wird jetzt "die Gier triumphieren?"

Selten hat ein Zusammenschluss in Deutschland ähnlich hysterische Reaktionen hervorgerufen. Völlig vergessen scheint dabei, dass solche Deals normalerweise umgekehrt verlaufen: So hatte BMW 1994 Rover übernommen, VW sich vergangenes Jahr mit Rolls Royce den Stolz der britischen Autoindustrie geschnappt, die Telekom sich im Juli die Telefongesellschaft One 2 One einverleibt. Erst vor wenigen Wochen hat Mannesmann überraschend einen Vodafone-Konkurrenten, die britische Telekom-Firma Orange aufgekauft - und damit die Übernahme erst provoziert, wie viele Branchen-Kenner meinen.

Kein Wunder also, dass die britischen Medien die deutsche Reaktion sehr pikiert zur Kenntnis nahmen. Die Warnung von Bundeskanzler Schröder an Vodafone sei nichts als "Nationalismus, Populismus und platte Schikane", kommentierte die konservative Times. Er hebe den Kampf zweier Unternehmen auf die nationale Ebene und mache ihn dadurch zu einer Auseinandersetzung zwischen Großbritannien und Deutschland. Schröders Reaktion sei schlicht "fremdenfeindlich".

Tatsächlich geht es bei dem Deal längst um mehr als einen gewöhnlichen Zusammenschluss zweier Unternehmen - er wird zum Kampf zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Modellen stilisiert: Mannesmann als Symbol für den Rheinischen Kapitalismus, Vodafone für die anglo-amerikanische Shareholder-Kultur.

Schließlich gilt der traditionsreiche Industrie-Konzern aus Düsseldorf auch bei den Gewerkschaften wegen der Montan-Mitbestimmung und den einflussreichen Arbeitnehmer-Vertretern im Aufsichtsrat als vorbildlich. Vodafone hingegen würde von einem partnerschaftlichen Management - Herzstück des deutschen Kapitalismus - nichts verstehen. Die feindliche Übernahme nach "Art des Manchester-Kapitalismus" passe eben nicht zur sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard, so der Ex-Zukunftminister Jürgen Rüttgers (CDU).

Vor allem aber geht es darum, wer auf einem der wichtigsten Märkte der Welt künftig das Sagen hat. Denn Mannesmann will zum führenden integrierten Dienste-Anbieter in Europa aufsteigen und setzt dabei auf die Verbindung von Mobilfunk und Festnetz. Vodafone-AirTouch möchte sich lieber ganz auf den Mobilfunk und das Internet konzentrieren. Der Konzern operiert weltweit in 23 Ländern, mit Schwerpunkten in Nordamerika und Asien. Durch die Fusion könnte Vodafone seine marktbeherrschende Stellung auf den alten Kontinent ausdehnen.

Doch genau das ist der Grund, warum sich die Düsseldorfer mit Händen und Füßen wehren. Mit einer Gewinnsteigerung von 800 Prozent in fünf Jahren sind sie eines der erfolgreichsten Unternehmen in Europa. "Wenn sie uns nur noch ein paar Monate weitermachen lassen, gibt es keine Chance mehr, uns den Vorsprung in Europa wieder wegzunehmen", sagte Mannesmann-Chef Esser im Spiegel. Scheitert die Übernahme, fällt die Europa-Strategie von Vodafone in Scherben, und die Deutschen könnten den Markt zwischen Lissabon und Berlin beherrschen. Gute Aussichten für Mannesmann-Aktionäre.

Dafür wollen sich die Düsseldorfer konsequent von einem Misch- zu einem Kommunikationskonzern entwickeln. Die traditionellen Geschäftsbereiche wie der Röhren- und Maschinenbau sowie die Produktion von Autoteilen sollen ausgegliedert oder in eigenständigen Firmen weitergeführt werden. Die Zerlegung ist bereits im vollen Gang. Der Vorwurf, die Fusion würde auf Kosten der Belegschaft gehen, ist daher wenig überzeugend. Der britische Konzern hat nichts anderes im Sinn als das, was der Mannesmann-Konzern ohnehin plant. Unter Vodafone würden sich allenfalls Tempo und Auswahl-Kriterien ändern. Dennoch wendet sich die Belegschaft geschlossen gegen die Übernahme. Denn die 130 000 Mitarbeiter von Mannesmann kommen mehrheitlich aus der Metall- und Stahlbranche und stellen über ihre Repräsentanten fast die Hälfte der Stimmen im Aufsichtsrat. Eine freundliche Übernahme ist damit ausgeschlossen.

Vodafone bleibt somit nichts anders übrig, als die Aktionäre - darunter rund 140 000 Kleinanleger - zu überzeugen, dass sie ihre Anteile verkaufen: Um die Geschäftsspitze auszutauschen, ist auf Aktionärsversammlungen eine qualifizierte Mehrheit von

75 Prozent nötig. Ob dies gelingen wird, ist zweifelhaft. Bisher sind alle Versuche, ein deutsches Unternehmen gegen seinen Willen zu kaufen, fehlgeschlagen. Bei Mannesmann beispielsweise kann keine Person oder Gruppe mehr als fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Diese Hürde - eine deutsche Besonderheit - wurde in den siebziger Jahren von Aktiengesellschaften eingeführt, die sich vor den Ölscheichs schützen wollten.

Vodafone hat zwar vergangene Woche sein Angebot auf 242 Milliarden Euro erhöht - eine Summe, die etwa dem Bruttosozialprodukt der Schweiz entspricht. Doch die Briten wollen die Übernahme ausschließlich durch reinen Aktientausch vollziehen. Viele Anleger befürchten nun eine Mogelpackung: Der Kurs der Vodafone-Papiere könnte nach Übernahme deutlich sinken.

Mehrere Gründen sprechen dafür: Die Briten müssen sich hoch verschulden und wollen mit rund 80 Milliarden Euro den größten Kredit, der je an ein einzelnes Unternehmen gezahlt wurde, in Anspruch nehmen. Zudem müsste sich Vodafone aus kartellrechtlichen Gründen nach einem Zusammenschluss sofort von der Mannesmann-Tochter Orange trennen - und würde dabei voraussichtlich mehrere Milliarden Euro verlieren. Die meisten deutschen Kleinanleger - darunter viele Mitarbeiter von Mannesmann - werden sich daher voraussichtlich gegen die Fusion entscheiden.

Vodafone setzt seine Hoffnungen daher vor allem auf die ausländischen Aktionäre, die rund 60 Prozent der Aktien besitzen. Doch auch bei denen hält sich die Begeisterung in Grenzen. Die endgültige Entscheidung soll am Wochenende fallen. Bis dahin will Klaus Esser alles vermeiden, was die internationalen Anleger vergrätzen könnte - beispielsweise der Verdacht, eine zu teutonische Aktie zu besitzen. "Das nationale Pathos können wir im Moment wirklich nicht gebrauchen. Das passt nicht in unsere Zeit, das passt vor allem nicht zu der Strategie von Mannesmann", erklärte Esser nach den Äußerungen von Bundeskanzler Schröder.

Und sollten alle Stricke reißen, kann Esser sich auf seine Kleinanleger verlassen. Nach deutschem Recht können sie jede Person auf Schadenersatz verklagen, die ihren Einfluss auf die Gesellschaft zum Schaden der Aktionäre geltend macht - und damit einen Zusammenschluss jahrelang verzögern. Bei einer Übernahme dürften sich solche problemlos finden lassen. Engländer gibt es schließlich ohne Ende.