Einheitsfront gegen Südkorea

Europaweit demonstrierten Werftarbeiter und Unternehmer gemeinsam gegen die "Dumpingpraxis" der ostasiatischen Schiffbauer.

Beim Kampf um den Standort wird man sich schnell einig. In ganz Europa demonstrierten vergangene Woche rund 100 000 Werftarbeiter gegen die "Dumpingpraxis" südkoreanischer Schiffbauer - und erhielten dafür Beifall von ungewohnter Seite: Sowohl Unternehmerverbände wie auch die EU-Kommission unterstützten die Proteste.

Allein zu einer Kundgebung im französischen Werften-Standort St. Nazaire hatten sich 25 000 Beschäftigte versammelt. In Spanien unterbrachen nach Angaben des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes (EMB), der die Proteste am 5. November organisierte, rund 30 000 Werftarbeiter ihre Arbeit. Sie forderten Schutzzölle gegen die Konkurrenten aus Asien.

Südkorea arbeite mit Preisangeboten, die deutlich unterhalb der Kostendeckung lägen und mit denen europäische Werften nicht mehr mithalten könnten, erklärte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel auf einer Pressekonferenz des EMB. Ein Containerschiff mit einer Kapazität von 3 500 Stellplätzen habe 1993 beispielsweise noch 70 Millionen Dollar (rund 130 Millionen Mark) gekostet; heute sei ein solches Schiff schon für 42 Millionen Dollar zu haben. Südkorea müsse daher "zur Aufgabe illegaler Wettbewerbspraktiken" gebracht werden, ergänzte Bernhard Meyer, Präsident des europäischen Verbandes der Werftunternehmer (CESA). Er könne "jedes Wort von Herrn Zwickel nur unterstützen".

Auch die EU-Wirtschaftsminister sehen dies ähnlich. Beim Schiffbau lege Südkorea ein "aggressives und unlauteres Marktverhalten" an den Tag, erklärte beispielsweise Sigmar Mosdorf, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Die knapp 120 000 europäischen Werftarbeiter - davon rund 21 000 deutsche - müssten gegen die Dumpingangebote des südostasiatischen Landes geschützt werden. Es könne nicht geduldet werden, dass auf südkoreanischen Werften Schiffe "zwischen 15 und 40 Prozent unter eigenen Einstandspreisen" gefertigt werden, sagte Mosdorf.

In der EU ist die Förderung für den Schiffbau auf maximal 9,9 Prozent der Auftragssumme begrenzt. Die europäischen Wirtschaftsminister drängen nun darauf, dass sich die Welthandelsorganisation (WTO) mit den Subventionspraktiken Seouls befasst. Die Kommission soll daher zunächst Beweise für ein unlauteres Verhalten Südkoreas sammeln, beschlossen die Minister vergangenen Dienstag in Brüssel.

Die Folgen des Dumpings sind jedenfalls für den europäischen Schiffbau gravierend. Die zehn südkoreanischen Werften mit ihren 42 500 Beschäftigten würden heute bereits mehr Schiffe bauen als alle 210 europäische Werften mit ihren rund 120 000 Beschäftigten zusammen, berichtete der Schiffbauexperte Heiner Heseler von der Universität Bremen. Der Wissenschaftler rechnete vor, dass noch Mitte der siebziger Jahre an den europäischen Küsten 505 000 Werftarbeiter beschäftigt waren. Belgien hat sich in der Zwischenzeit ganz vom Schiffbau verabschiedet. In Schweden verloren in den letzten 25 Jahren 97 Prozent der Schiffbauer ihren Arbeitsplatz. In Großbritannien und Frankreich waren es jeweils 80 Prozent. Für die alte Bundesrepublik bilanzierte Heseler einen Rückgang der Beschäftigten von 73 000 (1975) auf jetzt 16 000 Werftarbeiter. In der DDR waren 35 000 Frauen und Männer im Schiffbau beschäftigt; übrig geblieben sind derzeit noch knapp 5 000 Schiffbauer.

Nach einer Statistik der europäischen Kommission liegt der Anteil Südkoreas am Weltschiffbau momentan bei etwa 24 Prozent hinter Japan (31 Prozent) und der EU (25 Prozent). Ziel von Gewerkschaften, CESA und der EU-Kommission ist es, diesen Anteil zu sichern. Sie befürchten, dass Südkorea seine Kapazitäten weiter ausbauen wird. In die Enge getrieben sehen sich die Gewerkschaften aber auch vom Weltmarktführer Japan und dem aufstrebenden chinesischen Schiffbau.

Doch die Proteste richten sich zur Zeit vor allem deswegen gegen Südkorea, weil dort der Verstoß gegen die Wettbewerbsbedingungen nach Ansicht der Gewerkschaften besonders deutlich sichtbar wird. Anlass für die Proteste ist insbesondere ein 57 Milliarden-Dollar-Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) an Seoul zur Bewältigung der Asien-Krise. In Folge dieser Krise hätten südkoreanische Konzerne nach europäischen Maßstäben eigentlich Konkurs anmelden müssen. Mit Hilfe des IWF-Kredites, staatlicher Entschuldungspolitik und Neubewertung des Won wurde die Umstrukturierung der hoch verschuldeten Wirtschaft vorgenommen. Weil alle großen südkoreanischen Unternehmen undurchschaubare Gemischtwarenkonzerne sind, machte der IWF zur Auflage, dass das Land seine Industrie entflechtet.

Allerdings kann niemand so genau nachvollziehen, wie Hyundai, Daewoo, Samsung und andere Unternehmen diese Aufgabe bewältigen. So wird auch spekuliert, dass die Konzerne die IWF-Kredite nicht zur Sanierung ihrer Unternehmen, sondern zur Subventionierung von Teilbereichen verwenden. Beobachter sagen, die Umstrukturierung der Konglomerate schleppe sich dahin. Vor kurzem berichtete Park Se-Yong, Vorsitzender des Umstrukturierungs-Komitees von Hyundai, in Frankfurt am Main, man habe sich von unrentablen Unternehmensteilen getrennt und wende sich wieder den Kernbereichen zu. Hyundai verfüge nun über die "größte und beste Werft der Welt" und sei weltweit der "größte Hersteller von Schiffsmaschinen". Mehr Details waren dem Manager nicht zu entlocken.

Verständnis für die Aktion der europäischen Kollegen äußerte Mun Sung-hyun, Vorsitzender der südkoreanischen Metallarbeitergewerkschaft (KMWF), der sich vergangene Woche bei einem Besuch in der Bundesrepublik aufhielt. Allerdings schränkte er ein, dass in seinem Land die Arbeiter nur unzureichend über die Ereignisse in Europa informiert seien: "Es ist schwierig, den Menschen die Komplexität der Weltwirtschaft zu vermitteln." Die Werftarbeiter würden streiken, wenn ihnen der Lohn gekürzt wird. Aber auf Entwicklungen der Weltwirtschaft zu reagieren, sei ihnen fremd.

Welche Auswirkungen die Dumpingpreise in Südkorea haben, beschrieb Mun Sung-hyun am Beispiel der Halla-Werft in Mokpo. Diese erst 1996 fertig gestellte Werft ging Ende 1997 in Konkurs. Zuerst wurden die Löhne um 20 Prozent gekürzt, dann wurden etwa 7 000 von über 10 000 Arbeiter entlassen. Nachdem die restliche Belegschaft fünf Monate auf ihren Lohn warten mussten, besetzten sie Mitte 1998 den Betrieb. Die ausstehenden Gehälter haben die Werftarbeiter bis heute noch nicht erhalten.