Blochers Sonderweg

Von einer bäuerlichen und kleingewerblichen Interessenpartei hat sich die SVP zu einer konservativen Rechtspartei entwickelt.

Ein Milliardär für Millionen: Bei den Schweizern kommt Christoph Blocher immer besser an, zuletzt konnte der Rechtspopulist bei den Wahlen Ende Oktober 21,2 Prozent der Wähler für seine Schweizerische Volkspartei (SVP) gewinnen. Dass sich damit eine rechte Partei als zweitstärkste Kraft im Land durchsetzte, ist das nicht sonderlich überraschende Ergebnis einer langjährigen Entwicklung. Seit zehn Jahren gewinnt die SVP kontinuierlich von Wahl zu Wahl.

So leicht hatte es die Schweizer Rechte nicht immer: In den vierziger Jahren gab es eine nationalsozialistische Partei, die Eidgenössische Sammlung. Diese wurde allerdings im Juni 1943, einige Monate nach der nazi-deutschen Niederlage bei Stalingrad, verboten. Schweizer Rechtsextremisten, aber auch ihre rechtsbürgerlichen Sympathisanten blieben in der Folge politisch unbedeutend. Zwar gründeten einige Altnazis, unter ihnen der heute noch aktive Gaston-Armand Amaudruz, Anfang der fünfziger Jahre eine Volkspartei der Schweiz (VPS). Aus ihrer Isolation am rechten Rand konnte die VPS jedoch nie heraustreten.

Bereits 1963, noch in den Zeiten der wirtschaftlichen Hochkonjunktur, formierten Schweizer Rechtsextreme die Partei Volk und Heimat, die sich heute Schweizer Demokraten (SD) nennt. Ihr Kampf galt vorwiegend "der Überfremdung" und richtete sich zuerst gegen die italienischen ArbeitsimmigrantInnen. Später weitete die SD ihren Rassismus auf AsylbewerberInnen und Einwanderer aus "kulturfremden" Weltgegenden aus.

In den sechziger und siebziger Jahren stießen noch sämtliche Volksinitiativen, die die Zahl der MigrantInnen einschränken wollten, auf den Widerstand der vier Regierungsparteien SPS, FDP, CVP und SVP. In der Wirtschaft wollte man nicht auf die billigen Arbeitskräfte verzichten. Jene "Überfremdungsinitiativen", die sogar zur Volksabstimmung kamen, wurden alle abgelehnt, wenn auch teilweise nur knapp.

Der eidgenössische Konsens zerbrach nach 1989, als sich eine politische Rechte bildete, die sich als echte Alternative zu den vorherrschenden politischen Kräften und zur Regierung anbot. Mit der Schweizerischen Volkspartei (SVP) entstand eine neue Rechte, die einerseits seriös genug erscheint, um auch von einem breiteren Wählerspektrum akzeptiert zu werden. Andererseits lehnt man den ideologischen Fundus der Rechtsextremen nicht prinzipiell ab und arbeitet mit deren Vertretern gelegentlich auch zusammen.

Personifiziert wird diese politische Entwicklung durch den weltweit tätigen Unternehmer Christoph Blocher. Unter seiner Führung entwickelte sich die SVP bereits vor 1989 weg von einer bäuerlichen und kleingewerblichen Interessenpartei hin zu einer permanent Wahlkampf betreibenden Kaderpartei.

Gleichzeitig schuf Blocher sich ein zweites politisches Standbein. Die von ihm gegründete Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns), die heute mehr als 30 000 Mitglieder zählt, führt regelmäßig Kampagnen gegen jede außenpolitische Öffnung der Schweiz zur Uno oder EU.

Bei diesem Thema besteht grundsätzliche Einigkeit innerhalb der Schweizer Rechten: Die Schweiz soll ihre Identität bewahren und weder Mitglied der Uno noch Teil der Europäischen Union werden. Weitere Felder, auf denen die rechtsextremen Parteien in der Schweiz immer stärker bis in die Mitte und sogar die Linke hinein Einfluss gewinnen, sind der Kampf gegen den "Asylmissbrauch" und die Politisierung von Drogen und Kriminalität.

Eine Besonderheit der SVP ist ihre wirtschaftsliberale Ausrichtung. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rechtsparteien in Europa propagiert Blocher einen "Turbo-Kapitalismus", in dem der Staat nur noch dazu da ist, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Profitversprechende Institutionen sollen privatisiert und die Sozialhilfe abgebaut werden.

Dabei orientiert er sich einerseits am angelsächsischen Neoliberalismus, andererseits auch am antiliberalen Konservatismus. In dieser Frage besteht denn auch der größte Unterschied zwischen den Schweizer Demokraten und der SVP: Denn die fremdenfeindlichen SD verstehen sich als Vertreter der arbeitenden Schweizer Bevölkerung und wenden sich gegen den Sozialabbau.

Wie in anderen Ländern pflegt die SVP einen lockeren Umgang mit den Rechtsextremisten an den Rändern der Partei. Wenn nötig, grenzt sie sich zwar von Rassismus und Antisemitismus ab, doch den Worten folgen selten Taten, wie z.B. Parteiausschlüsse. Im Gegensatz zu Haider hat sich Blocher öffentlich nie bewundernd oder relativierend über den Nationalsozialismus geäußert. Den deutschen Nationalsozialismus interpretieren die Schweizer Rechtsextremen traditionell als einen Angriff auf die nationale Unabhängigkeit ihres Landes.

Dennoch: Die heftigen Auseinandersetzungen um die nachrichtenlosen Konten auf Schweizer Banken wusste Blocher zu nutzen, um antisemitische Vorurteile auszulösen, ohne sie auszusprechen. Und noch kurz vor den Wahlen wurde ein Brief von Blocher bekannt, in dem er dem Holocaust-Leugner und Buch-Autor Jürgen Graf Recht gibt. Doch von solchen Kleinigkeiten lassen sich die Schweizer Wähler nicht beeindrucken.