Autoritäre Austerität

Präsident Jamil Mahuad und ein "Kongreß des Volkes" wollen Ecuador aus der Krise helfen

Eine Million Unterschriften werden benötigt. Denn wenn sich zehn Prozent der Bevölkerung Ecuadors für ein Referendum über einen einseitigen Zahlungsstopp bei der Bedienung der Auslandsschulden in Höhe von rund 16 Milliarden US-Dollar einsetzen, könnte schnell wahr werden, was internationale Gläubiger gar nicht gerne sehen.

Das hoffen zumindest die Initiatoren der auf dem "Kongreß des Volkes" am 20. und 21. März beschlossenen Aktion. Sollte es Gewerkschaften, der Konföderation der indigenen Nationalitäten (Conaie), der Patriotischen Front und Menschenrechtsorganisationen gelingen, die Regierung zum Referendum zu zwingen, wäre dessen Ausgang angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise des Landes sicher.

Der drohende Zusammenbruch der achtgrößten Bank des Landes, der Banco del Progreso de Ecuador, die am vergangenen Montag alle Transaktionen wegen Zahlungsunfähigkeit bis zum 4. Mai aussetzte, gibt dem Referendum weiteren Auftrieb. Über 750 000 Kunden wären von dem drohenden Crash betroffen, falls die Regierung der Bank nicht finanziell hilft. Zwar sollen mit einem speziellen Kredit die angelegten Gelder staatlich garantiert werden, doch für eine solche Rettungsaktion fehlen der Regierung die Mittel.

Schon seit Beginn dieses Monats bemüht sie sich, die Situation zu kontrollieren: Um die Talfahrt der Währung Sucre zu stoppen, hatte Präsident Jamil Mahuad den Banken am 8. März zwei Tage Urlaub verordnet. Das Präsidentendekret trudelte kurz vor der Öffnung der Geldinstitute ein und löste Panik unter den Bankkunden aus. Die Geldautomaten wurden gestürmt. Mahuad hatte zugleich Polizei und Armee aufmarschieren lassen. In der Hauptstadt Quito kam es zu Straßenschlachten, die Gewerkschaften riefen aus Protest gegen das Regierungsdekret zum zweitägigen Generalstreik auf. Hinzu kamen die Demonstrationen der Indigena-Organisationen gegen die erst seit sieben Monaten amtierende Regierung. Mit diesen Aktionen begründete Mahuad die Ausrufung eines auf 60 Tage befristeten Ausnahmezustandes.

Damit sorgte der Präsident zwar autoritär für Ruhe im Land, aber für den Sucre gab es fortan nichts mehr zu kaufen. In vielen Restaurants und Geschäften, aber auch von Taxifahrern wurde nur noch der US-Dollar als Zahlungsmittel akzeptiert. Schließlich wußte niemand, wann die Banken wieder öffnen würden und was dann der Sucre noch wert sein würde. Deswegen gibt es bereits Überlegungen, den US-Dollar zur Hauptwährung zu erklären.

Wurde die ecuadorianische Währung im Dezember noch mit 6 576 Sucre pro US-Dollar gehandelt, waren es vor der Zwangsschließung der Banken bereits über 16 000 Sucre. Neben dem Haushaltsdefizit und der Schuldenlast des Landes hat vor allem die Bankenkrise dazu beigetragen: Mindestens drei Banken sind vom Bankrott bedroht. Erst im letzten Jahr kollabierten fünf Institute, und zu Beginn des Jahres wurden weitere drei vom Staat zwangsfusioniert. Eine eifrige Kreditvergabe hat so manches Institut an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht. Der Präsident der Zentralbank Ecuadors, Luis Jacome, fordert deshalb eine verstärkte Bankenaufsicht und eine Neustrukturierung der bestehenden Einrichtungen.

Die Regierung versucht ihrerseits mit einer strengen Austeritätspolitik ihre eigenen Probleme in den Griff zu kriegen. Denn das Haushaltsdefizit beträgt 1,2 Milliarden US-Dollar - sieben Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) -, und die Devisenreserven sind auf knapp 1,2 Milliarden US-Dollar zusammengeschrumpft. Insbesondere durch den Erdölpreisverfall und die durch El Niño angerichteten Schäden in der Bananen- und Fischwirtschaft sind die Staatseinnahmen erheblich gesunken.

Deswegen strich die Regierung unter Mahuad bereits im Januar Subventionen für Gas, Elektrizität und Benzin, und Mitte März stellte der Harvard-Absolvent nun ein Steuernotprogramm vor. Beraten vom früheren argentinischen Finanzminister Domingo Cavallo, gab Mahuad eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um vier Prozent, die Besteuerung von Luxuswagen mit vier Prozent und die Erhöhung der Benzinpreise um bis zu 200 Prozent bekannt. Außerdem sollten sämtliche Bankkonten für sechs bis zwölf Monate eingefroren werden.

Nach heftigen Protesten und mangelnder Unterstützung im Parlament wurde das Gesetzespaket jedoch teilweise aufgehoben: Die Mehrwertsteuererhöhung wurde am 20. März vom Parlament gestrichen und die Erhöhung des Benzinpreises, gegen die Taxifahrer und Transportunternehmen in Quito mit Straßenblockaden protestierten, auf 35 Prozent gesenkt. Selbst der Ausnahmezustand wurde durch den Präsidenten wieder aufgehoben, und Mahuad äußerte, es sei gar eine Lohnerhöhung denkbar, wenn die ecuadorianische Bevölkerung "zum Frieden zurückkehrt".

Für Gewerkschaften und Indigena-Organisationen ändert sich durch die Teilzugeständnisse von Mahuad jedoch gar nichts. Sie sehen in der hohen Schuldentilgung die Ursache für die Krise. 41 Prozent des Staatshaushaltes werden allein für die Bedienung der Schuldenlast aufgewendet. Ein Anteil, der per Referendum schnell auf Null gesenkt werden müsse. Ausländischen Investoren dürfte das aber kaum gefallen - wenn Ecuador nicht gleichzeitig den US-Dollar zur Hauptwährung erklärt.