Akte X ungelöst

Mehr Fragezeichen, mehr Hubschrauber, mehr Paranoia - Akte X, jetzt auch als Film: "Fight The Future"

Irgendwo in den staubigen Weiten der amerikanischen Provinz spielt ein etwa neunjähriger Junge mit seinen Freunden, als plötzlich die Erde unter ihm aufbricht und er in eine Höhle plumpst, die er nur solange cool findet, bis ein vermutlich außerirdirscher Virus, eine gewissermaßen parasitäre Brut, ihm unter der Hose das Bein hinaufkriecht und von dort aus ins Körperinnere gelangt und derart von ihm Besitz nimmt, daß ihm buchstäblich schwarz vor Augen wird. Geschrei, Alarm, Chaos, 12 Hubschrauber, Gefahr in Verzug, FBI, höchste Sicherheitsstufe, strengste Geheimhaltung, Schnitt.

Szenenwechsel. Kurze Zeit später in Dallas: Wieder kreisen die Hubschrauber, diesmal ist es ein Bombenalarm. Mulder entdeckt die Bombe beim Kaffeeholen. In Windeseile wird das Gebäude evakuiert, doch es gelingt nicht, die Bombe zu entschärfen. Das Haus explodiert. Bei den Aufräumarbeiten findet man die Leichen eines kleinen Jungen und diverser Feuerwehrleuten. Fox Mulder (David Duchovny) und Dana Scully (Gillian Anderson) waren für die Evakuierung zuständig. Wer hat hier geschlampt? Szenenwechsel.

Atempause. Mulder begießt seine Sorgen mit Spirituosen. Einer Thekenkraft schüttet er sein Herz aus: daß seine Schwester im zarten Kindesalter von Außerirdischen entführt worden sei; daß er an die Existenz außerirdischen Lebens glaube; daß das FBI seine geliebten X-Akten schließen will, die Arbeit seines Lebens. Und dann noch seine Kollegin Scully. Die will nach all den Jahren den Dienst quittieren. Ein neues Leben anfangen. Dabei sei man doch kurz davor gewesen. Nämlich die Außerirdischen beweiskräftig zu fangen, sich zu duzen und überhaupt. Alles umsonst. Die Thekenkraft guckt verdutzt, und Mulder pinkelt vor einem "Independence Day"-Plakat. Ironie: Gelächter.

Auftritt Professor Kurtzweil, ein alter Verschwörungstheoretiker, der die Zusammenhänge kennt, der auch Mulders Vater kannte, der deshalb vertrauenswürdig ist. Versorgt Mulder satt mit Informationen. Über internationale Komplotte, unbekannte Lebensformen und ihre kapitalistische Nutzbarmachung. Über das FBI, die Freimaurer und auch die Gefahr. Und darüber das bald alles den Bach runtergeht. Die Welt, die Menschheit, der Rest. Also rein ins Auto und nichts wie hin zu Scully, weil: allein schafft Mulder das nicht. Schnitt.

Wir sehen, wie der atemlose Mulder seine Noch-Kollegin Scully aus dem Tiefschlaf klingelt, wie er auf sie einredet, die Halbschlafende, die noch zögert und eine abweisende Haltung zeigt, die Mulder aber zu brechen versteht, in dem er hartnäckig insistiert, wie es so seine Art ist, seine Art, die Fernsehzuschauer weltweit so an ihm schätzen. Nervös gestikulierend aber vollauf überzeugt legt er seine Annahmen dar: ein Komplott, eine großangelegte Verschörung internationalen Ausmaßes, die Regierung, das FBI, die Freimaurer. Und die Außerirdischen. Scully sieht das Funkeln in seinen Augen, schon wenig später steht sie mit ihm in der Pathologie und schnippelt interessiert an einer gallertartigen Leiche: Schauen Sie Mulder, eine unbekannte Eiweißverbindung. (Oder so ähnlich). Der Beweis? Der Beweis. Hier stimmt was nicht. Schnitt.

Dann geht's Schlag auf Schlag. Erst nach Dallas, Schnitt, dann in die Provinz. Wo eben noch die Grube war, in die der Junge fiel, steht jetzt ein neuer Kinderspielplatz. Schnitt. Alle Kinder im Ort fahren fabrikneue Bonanza-Räder. Schnitt. Seltsam, Schnitt. Schon sind Mulder und Scully einem mysteriösen Truck auf der Spur. Der verwandelt sich, Schnitt, irgendwie in eine Eisenbahn, die direkt in die Wüste fährt, schnurstracks an einem Maisfeld vorbei. Schnitt. Im Maisfeld steht ein weißes Zelt, im Zelt schnurren genmanipulierte Bienen. Schnitt. Drüben planen die Freimaurer gerade den Weltuntergang. Blende. Drüben in Amerika wird Scully gerade entführt. Schnitt: Auftritt Kurtzweil. Großaufnahme Mulder. Großaufnahme Kurtzweil. Großes Kino. Dazwischen: jede Menge Fragezeichen.

Egal. Denn schon wieder kreisen die Hubschrauber. Der Hauptunterschied von einer beliebigen Serienfolge und "Akte X" im Kinoformat sind die Anzahl der Hubschrauber. Hier fliegen mindestens an die 20 Stück, versprechen Spannung und Dramatik und machen dabei tolle Geräusche. Mitunter gestattet man sich auch ein wenig Selbstironie. Ansonsten: Fast alles beim alten: Rätsel, Andeutungen, Vermutungen, Verschwörungen - aber nix Genaues weiß man nicht. Scully pocht auf Wissenschaftlichkeit und will Beweise. Mulder reichen Vermutungen für die Paranoia. Diesmal hatten die Produzenten sogar genug Budget, ein echtes Raumschiff zu bauen, das vor seinen und ihren Augen gen Himmel steigt. Das ist der Beweis. Der Lieblingskonflikt zwischen den beiden dürfte damit zukünftig ausgeschlossen sein. Mal sehen, wie die Drehbuchschreiber da wieder rauskommen. Nach zwei Stunden ist der Film jedenfalls vorbei und die Zuschauer sind kein Stück klüger. Wieder reichen die Beweise nicht aus, wieder will keiner an die Außerirdischen glauben, wieder hat das Böse gesiegt. Und was die Bienen mit den Maiskolben mit den UFOs zu schaffen haben - man weiß es nicht. Aber, die Raterei geht in der nächsten Staffel weiter. Die startet im Herbst. Und der Film taugt hier, auch Neueinsteiger zu locken. Großer Quatsch, der sich locker nebenbei weggucken läßt.

"Akte X - Der Film". USA 1998, R: Rob Bowman, D: David Duchowny, Gillian Anderson, William B. Davis, Martin Landau, Armin Müller-Stahl