Berishas Traum

Albaniens Ex-Präsident will vom Kosovo-Konflikt profitieren

Albaniens autoritärer Ex-Präsident Sali Berisha hofft auf den Kosovo-Konflikt. Der soll ihm die Gelegenheit verschaffen, sich wieder an die Staatsspitze zu katapultieren, von der ihn der albanische Aufstand im vergangenen Frühjahr unsanft entfernt hatte.

Das Aufmarschgebiet der kosovo-albanischen Separatistenguerilla UCK liegt in Nordalbanien, und genau dieser Teil wird von Berisha und seinen Anhängern kontrolliert. Dorthin gelangen Kosovo-Albaner aus Westeuropa, die von der UCK rekrutiert werden, und auch die wachsende Zahl junger Leute aus Albanien selbst, die in den Reihen der Freischärler kämpfen wollen. Diese erhalten, so die Auskunft des OSZE-Büros in Tirana, sogar 1 000 Mark Monatssold. Das Kriegshandwerk ist also durchaus lohnend, vergleicht man den Sold mit den Hungerlöhnen von durchschnittlich etwa 100 Mark im Monat, die in der weitgehend zusammengebrochenen Ökonomie Albaniens gezahlt werden.

Ins Gewicht fällt insbesondere der personelle Nachschub für die UCK aus Deutschland: Nach Bill Foxton, dem OSZE-Chef in Nordalbanien, kommen täglich bis zu 50 Kosovo-Albaner aus Deutschland, um sich direkt - ohne weitere militärische Ausbildung - der UCK anzuschließen; verletzte UCKler würden in albanischen Krankenhäusern behandelt.

Daß Berisha im Kosovo Einfluß nimmt, hat Tradition. Erste Hinweise gab Albaniens ehemaliger Verteidigungsminister Safet Zhulali, der sich im Frühjahr vergangenen Jahres angesichts des albanischen Aufstands nach Italien abgesetzt hatte. Für ihn ist Berisha ursprünglich für die Eskalation im Kosovo verantwortlich. Um das Ausland von der Situation in Albanien abzulenken, habe Berisha die Destabilisierung des Kosovo "betrieben", sagte Zhulali im italienischen Exil auf einer Pressekonferenz - im März 1997.

Mit der Eskalation des Kosovo-Konflikts in diesem Jahr sah Berisha seine Chancen steigen. Bereits Anfang März hatten 28 albanische Parteien und Organisationen unter Führung von Berishas "Demokratischer Partei" einen Aufruf unterzeichnet: "Wir rufen alle Albaner in Albanien, im Kosovo, in Mazedonien, Montenegro, und wo immer sie sonst leben, dazu auf, als eine Nation gegen die serbischen Aggressoren im Kosovo vorzugehen."

Für Berisha ist das Anheizen eines großalbanischen Nationalismus ein willkommenes Mittel, sich gegenüber der Regierung unter dem ihm besonders verhaßten Sozialisten Fatos Nano zu profilieren. 1993 hatte Berisha dafür gesorgt, daß der damalige Oppositionschef Nano im Gefängnis landete, worauf amnesty international ihn als politischen Gefangenen anerkannte. Nicht einmal dieser für Osteuropa einzigartige Vorfall hatte Berishas Unterstützung im Westen gefährdet.

Insbesondere der deutsche Staat griff ihm bis zu seinem Sturz mit Militär- und Polizeihilfe sowie der Aufrüstung des Geheimdienstes unter die Arme. In Tirana hatten die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU Niederlassungen; letztere war "bei der Formulierung eines auf Berisha zugeschnittenen Wahlrechts behilflich", wie das Fernsehmagazin "Monitor" im März 1993 enthüllte.

Fatos Nano seinerseits hat momentan dem Druck Berishas wenig entgegenzusetzen. Bereits im Mai hatte er gesagt, seine Polizeikräfte könnten in Nordalbanien nicht hart durchgreifen, weil dies die Sympathien für Berisha nur weiter verstärken würde.

In jüngster Zeit kam Berisha zudem ein Anwachsen des albanischen Nationalismus zupaß. Seit Anfang Juni wurde von albanischen Zeitungen und populären Entertainern zu einem umfassenden Krieg aufgerufen, der zum Ziel haben solle, Serbien ein unabhängiges Kosovo abzuringen. Am 11. Juni versammelten sich in Tirana etwa 1 000 Demonstranten für die Unabhängigkeit des Kosovo, die von Führern der Demokratischen Partei aufgestachelt wurden.

Die nationalistische Welle zeigte bei der Nano-Administration Wirkung. Bis Anfang Juni hatte sie die Position vertreten, eine Autonomie des Kosovo innerhalb des jugoslawischen Staates zu befürworten; Kontakte mit der UCK hat sie vermieden. Nun hat der albanische Präsident Rexhap Mejdani ein militärisches Eingreifen der Nato im Kosovo gefordert. In dem am Samstag in der serbischen Oppositionszeitung Danas veröffentlichten Interview sprach er sich zudem für die Bildung einer "nationalen Plattform" für alle Albaner aus; auf dieser solle eine "Strategie für nationale albanische Fragen" entwickelt werden.

"Offenbar", so vermeldete die Nachrichtenagentur AP in der vergangenen Woche, sorgt Berisha auch für die Waffen der kosovo-albanischen Freischärler. Darauf hatte bereits Ende April Fatos Nano im Parlament in Tirana angespielt: Es gebe auch politische Kräfte, die mit dem illegalen Waffenhandel zwischen Albanien und dem Kosovo zu tun hätten. So sollen während der letztjährigen Revolte in Albanien aus Waffendepots entwendete Waffen im Kosovo eingesetzt werden. Das ist plausibel: Als im vergangenen Frühjahr die Depots der albanischen Armee geplündert wurden, landete ein Teil der Waffen bei den Aufständischen, ein anderer Teil bei den Berisha-Unterstützern im Norden Albaniens.

Darüber hinaus hat die italienische Polizei am 10. Juni einen mafiosen Ring auffliegen lassen, sozusagen einen Multi des internationale Drogen- und Waffengeschäfts. 90 Leute, unter ihnen 30 Albaner, wurden im Rahmen dieser sogenannten Operation Afrika verhaftet. Sie sollen mit dem Betrieb von Restaurants wöchentlich bis zu 1,3 Millionen Mark Drogengelder gewaschen haben.

Dabei war nach einem Bericht der linken italienischen Zeitung Il Manifesto auch der kosovo-albanische Boß Gashi A., der in flagranti beim Kauf von 200 MGs mit Nachtsichtgeräten überrascht worden sei. Ein Mann von besonderer Bedeutung sei der Albaner Ritnan P., stolzer Besitzer eines Diplomatenpasses, der sich bei einem Aufenthalt in Mailand offiziell als Berisha nahestehend präsentiert habe. Ritnan P. soll von Tirana aus Waffenkäufe für den Kosovo aus Italien betrieben haben. Dazu paßt die Auskunft von Bill Foxton, daß bei den Freischärlern vermehrt italienische Waffen auftauchen.

Eine zweite Schlüsselfigur sei, so Il Manifesto, der ägyptische Geschäftsmann Assan A., der über Kontakte zu einem Minister der ägyptischen Regierung verfüge. Bei den Waffengeschäften sei es nicht nur um die Versorgung des Kosovo gegangen, sondern auch um die des islamischen Terrorismus in Ägypten.