Ungarn: Nationalismus regiert

Aus dem zweiten Wahlgang der ungarischen Parlamentswahlen gingen am Sonntag die Rechten als eindeutige Sieger hervor. Stärkste Fraktion wurde der Bund Junger Demokraten (Fidesz) mit 148 der insgesamt 386 Parlamentssitze, das sind 129 mehr als bei den Wahlen vor vier Jahren und 14 mehr als die sozialistische MSZP des Ministerpräsidenten Gyula Horn. Im Vergleich zu 1994 verlor die Regierungspartei 75 Mandate. Nachfolger Horns wird nun vermutlich der Fidesz-Vorsitzende Viktor Orban. 1988 hatte er eine marktliberale Partei mitbegründet, die bei dem Urnengang des Jahres 1990 allerdings nur auf 21 Parlamentssitze kam. Für die vermeintlichen "nationalen Interessen" setzt sich Orbans Fidesz auch heute noch ein, insbesondere die ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten und die Souveränität des Landes bei den Verhandlungen über einen EU-Beitritt sind die Lieblingsthemen der Partei.

Trotz des hohen Wahlsiegs stehen Orban allerdings schwierige Koalitionsverhandlungen bevor, da er mindestens zwei Partner für die Erlangung einer Mehrheit benötigt. Der designierte Ministerpräsident hat bereits Gespräche mit der rechten Kleinbauernpartei und dem Ungarischen Demokratischen Forum angekündigt und zeigt sich zuversichtlich: Ungarn habe "eine neue Regierung für ein neues Jahrhundert gewählt". Von dem nationalistischen Wahlkampf und dem Rechtsruck profitierte allerdings nicht nur die Fidesz und deren voraussichtliche Koalitionspartner, sondern auch die Ungarische Partei für Wahrheit und Leben. Diese war mit einem antisemitischen und extrem-nationalistischen Programm angetreten und wird mit 14 Abgeordneten im ungarischen Parlament vertreten sein. Parteichef Istvan Csurka hat im Wahlkampf über "Verschwörungen gegen die wahren ungarischen Interessen" geklagt, deren "Hintermänner" angeblich in New York und Tel Aviv sitzen würden. Peter Feldmajer, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Ungarn befürchtet bereits das Schlimmste: "Viele Juden sagen mir, daß es vielleicht wieder an der Zeit sei zu packen."