Zwei Fäuste für ein Hallelujah

Fidel Castro setzt auf Kooperation mit dem Heiligen Stuhl, und der Papst liest in Havanna eine Messe

Am 21. Januar setzt Papst Johannes Paul II. zum ersten Mal seinen Fuß auf kubanischen Grund, womit er einer persönlichen Einladung des "m‡ximo l'der" Fidel Castro Folge leistet. Lange hatte es gedauert, bis sich beide Seiten in langwierigen Geheimverhandlungen über die Modalitäten hatten einigen können. Die erste Einladung Castros aus dem Jahre 1989 war vom Vatikan ausgeschlagen worden, doch gleichzeitig bildete sie den Auftakt einer Annäherung auf höchster Ebene. Kein Geringerer als der Außenminister des Vatikans, Erzbischof Jean-Louis Tauran, hatte die Voraussetzungen des päpstlichen Besuches ausgehandelt.

Die jahrelangen Spannungen zwischen Revolutionsregierung und katholischem Klerus kamen nicht von ungefähr: Zum einen waren zahlreiche Geistliche eng mit dem vormaligen Diktator Batista und seinen Handlangern liiert, zum anderen opponierte der Klerus schon früh gegen die Politik der Revolutionsregierung. Eindringlich wurde von der Kanzel vor der ersten Agrarreform vom Mai 1959 gewarnt, da die katholische Kirche wie auch die in ihr beheimateten Ober- und Mittelklassen die Enteignungen fürchteten. Eine Unterstützung der tiefgreifenden sozioökonomischen Veränderungen kam für sie nicht in Betracht, was heute auch zugegeben wird. Bis Ende 1960 veröffentlichten die kubanischen Bischöfe eine Reihe von Hirtenbriefen, in denen sie die Legitimität der Regierung in Zweifel zogen und vor kommunistischen Einflüssen warnten - aus religiösen Prozessionen wurden in der Folgezeit wiederholt antirevolutionäre Demonstrationen, und Priesterseminare dienten als Informations- und Planungszentren für den Umsturz gegen die Revolutionsregierung.

Zum endgültigen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen den Revolutionären um Castro und Che Guevara und der Kirche wurde die Invasion in der Schweinebucht. Zahlreiche Kleriker hatten die Invasion begrüßt, einige gar an der Vorbereitung teilgenommen, und drei von ihnen setzten ihren Fuß mit der Invasionsbrigade auf die Insel, womit die Verbindung zwischen der katholischen Kirche und der Regierung endgültig aufgelöst war. Den im Gegensatz zu den realsozialistischen Regierungen Osteuropas nicht von vornherein atheistisch ausgerichteten kubanischen Revolutionären riß der Geduldsfaden. Katholische Priester wurden festgenommen und ausgewiesen, Einrichtungen der Kirche, wie das Belen-Gymnasium oder Kloster, geschlossen. Binnen weniger Monate sank die Zahl katholischer Geistlicher auf der Karibikinsel von über 700 auf 200. Über 400 von ihnen wurden in ihre Herkunftsländer zurückgerufen, 132 von der Regierung Castro ausgewiesen.

Die Kirche verlor ein Gutteil ihres gesellschaftlichen Einflusses und sah sich gezwungen, ihre sogenannte seelsorgerische Arbeitstark einzuschränken. Bis in die siebziger Jahre währte die "Zeit des großen Schweigens", so der katholische Begriff für jene Jahre.

Die andere christliche Konfession hingegen hatte wesentlich weniger Probleme mit der Revolutionsregierung. Wenige Monate nach der Revolution machte sie, die früh die Sozialreformen begrüßt hatte, ihren Frieden mit den "Bärtigen". Auch als sich die kubanische Revolution unter dem Einfluß der Sowjetunion in den siebziger Jahren atheistischer gab, wurde das Verhältnis zwischen den Evangelikalen und der Regierung nie ähnlich unterkühlt wie mit den Katholiken.

Mitte der achtziger Jahre sollte es mit der Einrichtung der Abteilung für religiöse Angelegenheiten in der kommunistischen Partei Kubas (PCC) zu einer Annäherung zwischen Partei und Klerus kommen, und forciert durch das Interview Castros mit dem brasilianischen Befreiungstheologen Frei Betto nahm die Debatte über die Rolle der Kirche in der kubanischen Gesellschaft Konturen an. An deren vorläufigem Ende stand 1991 die Öffnung der PCC für Religionsangehörige.

In den letzten Jahren hat die katholische Kirche - ebenso wie die evangelische und die afro-kubanischen Religionsgemeinschaften - einen enormen Zulauf zu verzeichnen, wodurch sie auch an gesellschaftlicher Bedeutung gewann. Sie trat alsbald für eine pluralistische Gesellschaft unter Beibehaltung der sozialen Errungenschaften der Revolution ein, ohne die Position der USA oder die der Exilgruppen einzunehmen. Der Erzbischof von Havanna, Jaime Ortega, mahnte in Hirtenbriefen 1991 und 1993 die Regierung, ihr "Reformtempo" zu forcieren, um - so lautete die Begründung - gewalttätigen Auseinandersetzungen vorzubeugen, verurteilte aber gleichzeitig auch das Embargo der USA. Zudem ließ er seine Kontakte in den Vatikan spielen, um Castros spektakulären Besuch beim Papst und dessen Visite in Kuba vorzubereiten.

Für Castro sind der Besuch des Papstes und dessen deutliche Worte gegen das US-amerikanische Embargo ein außenpolitischer Erfolg, der in den USA als "schwerer Schlag für unsere Kubapolitik" kommentiert wurde. Dieser außenpolitische Erfolg hat allerdings auch seinen Preis, denn der Vatikan fordert sowohl mehr Autonomie für die Kirche in Kuba als auch das, was er unter Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft versteht.

Immerhin erhielten Ende 1996 40 der 80 auf ein Visum wartenden ausländischen Priester und Ordensfrauen das gewünschte Papier, und auch mit seinem Begehren, öffentliche Messen abhalten zu können, könnte sich der Papst durchsetzen. Jedenfalls liest Johannes Paul II. am 22. Januar seine erste Messe in Kuba - nicht irgendwo, sondern auf dem Platz der Revolution.