Schule der Schule der Nation

Rechts war die Führungsakademie der Bundeswehr schon immer, aber so wichtig wie heute war sie nie

"Üben Sie Sprachzucht, in ihr zeigt sich sprachliche Disziplin!" Dies rief 1969 der damalige Generalinspekteur, Ulrich de Maizière, den Absolventen der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr zu. Ein Appell, der nicht nötig war. Die 1957 vom damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gegründete Generalsausbildungsschule wird intern sowieso nur sprachzüchtig "FüAk" gerufen.

Die derart unappetitlich gerufene Einrichtung hat in den vierzig Jahren ihrer Existenz eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Erst 1974 wurde der Bau im feinen Hamburger Stadtteil Blankenese das, was er heute ist, nämlich zentrale Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr. In allen vorherigen Konzepten einer leidlich gemäßigten und an die Leine genommenen Armee, die mit dem Konzept der "Inneren Führung" gefälligst "Staatsbürger in Uniform" hervorbringen sollte, spielte die Führungsakademie keine nennenswerte Rolle. Da war sie zunächst eine ziemlich überflüssige Stabsakadamie, die Offiziere für etwas ausbildete, was die Bundeswehr gar nicht besitzen durfte: für einen Generalstab.

Zu den wenigen Auflagen, die die Alliierten bei der Remilitarisierung Deutschlands durchsetzen konnten, gehörte das Verbot eines solchen Generalstabs. Das hatte zur Folge, daß der Generalinspekteur, der ranghöchste deutsche Soldat mit vier Sternen auf der Schulter, keine Befehlsgewalt hat, lediglich Berater des jeweiligen Verteidigungsministers sein darf, und daß sich seine Berater wiederum verschämt Offiziere "i.G." nennen müssen, "im Generalstab", in etwas also, was man leider nicht sein darf. Es bedurfte schon des machtvollen Aufstiegs der BRD zur Weltmacht, um diese von deutschen Militärs stets als Schmach empfundene Rücksetzung zu kompensieren.

Bevor die Generalsschmiede zur anerkannten Ausbildungsstätte "militärischer Leistungseliten", wie es in der Selbstdarstellung heißt, werden konnte, waren Einrichtungen wie das Zentrum (vormals: Schule) Innere Führung als Denkfabriken für das deutsche Militär wichtig.

Hier wurde an dem getüftelt, was sich sozialdemokratische Militärs wie Wolf Graf von Baudissin als "Armee in der Demokratie" vorstellten. Die Stelle eines Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags wurde geschaffen, der als Ombudsmann Beschwerden von Soldaten nachgehen sollte, jede Kompanie wählte sich einen Vertrauensmann, ein in der deutschen Militärgeschichte bislang unbekanntes Instrument der "Wehrbeschwerdeordnung" wurde eingeführt, die auch niedrigen Dienstgraden Rechte verschaffte, und ganz sozialdemokratisch wurde ein "Beirat für Fragen der Inneren Führung" geschaffen, in dem sich, ausgewogen zusammengesetzt, Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Kräfte Gedanken über den Zustand der Bundeswehr machen sollten, die dem jeweiligen Minister zu Gehör gebracht wurden.

Kernstück der Inneren Führung (Kasinojargon: "Inneres Gewürge") war das Zentrum für Innere Führung in Koblenz. Das gab Schriften heraus, konzipierte und plante, modernisierte und überdachte - und ärgerte sich stets, daß seine Planungen mit der Realität der Bundeswehr, repräsentiert durch die Generalität, nichts zu tun hatten.

Generalmajor Helmut Grashey, damals Vizeinspekteur des Heeres, sprach 1969 bei einer Rede an der Hamburger Führungsakademie aus, was er und seine Leute von der Inneren Führung hielten: Sie sei nur dazu da gewesen, "um die SPD für die Wiederbewaffnung zu gewinnen". Nun, nach dem Wahlsieg der SPD, könne man "doch die Maske vom Gesicht nehmen".

Das Zentrum Innere Führung tüftelte weiter, ohne daß es jemals nennenswerte Bedeutung in der Bundeswehr erhielt. Statt dessen wurde die Führungsakademie aufgewertet, und zwar mit einer Mischung aus sozialdemokratischer Rhetorik und abgeschotteter Generalstümelei. In einem Papier aus dem Jahre 1971 formulierte die Hardthöhe für ihren damaligen Minister Helmut Schmidt dieses Ziel der Führungsakademie: "Der zukünftige Offizier soll daher bei ansprechender Anleitung befähigt werden, sowohl den Extrakt seiner fachlichen Erkenntnisse in die übergeordneten gesellschaftlichen Verhältnisse einzubringen als auch - in Kenntnis und Verständnis der sozialen, ökonomischen und politischen Zusammenhänge - über die gesellschaftliche Problematik seiner Tätigkeit und seiner künftigen Rolle zu reflektieren."

Was das für die Generalität bedeutete, war klarer, als es die sozialdemokratischen Verteidigungsminister jemals erkennen sollten: Die glaubten nämlich, sie hätten die Armee verändert, und bemerkten nicht, daß in Wahrheit die Armee sie verändert hatte. "Allmählich fing sich die verstörte Generalität wieder", beschreibt Hubert Seipel 1982 im Kursbuch den rasanten Übergang von sozialdemokratischen Illusionen zu deutscher Militärrealität: "Generalmajor Wagemann, Kommandeur der Führungsakademie, stutzte den Anteil der Sozialwissenschaften, mit denen 'die Praktiker' in den Streitkräften ohnehin nichts anfangen konnten. Die zivilen Dozenten, 'die linken Rollkragenheinis', die seit der Neuerung in der Führungsakademie lehrten, waren den Troupiers ein Dorn im Auge." Und folglich wurden sie genauso schnell entfernt wie die wenigen Militärs, die es ernst meinten mit der Ausbildung zum "denkenden Soldaten". Zur Zeit sind dort neben 110 militärischen Dozenten nur noch 20 zivile tätig.

Eine andere Rolle als die der Elitenausbildung hatte die Führungsakademie nie, und auch die militärische Kontrolle über die Inhalte war nie angetastet; es schien nur einmal so. Wer in der Bundeswehr etwas werden möchte, muß hier einen Lehrgang absolviert haben, 2 400 Offiziere sind es in diesem Jahr. Hinzu kommen Offiziere aus ausländischen Armeen, bislang etwa 1 500 aus 95 Ländern.

Ein rechter Ausbildungsbetrieb also, auf den die deutsche Bundeswehr stolz ist. Anläßlich des vierzigjährigen Bestehens der Einrichtung schreiben zwei Stabsoffiziere in der Zeitschrift Information für die Truppe über die Anfangsjahre der Führungsakademie: "Angesichts der Rolle des preußischen Generalstabs in der deutschen Geschichte war diese Institution ähnlich umstritten wie der westdeutsche Verteidigungsbeitrag insgesamt." Das sei nun nicht mehr so. Statt "Verständnis der sozialen, ökonomischen und politischen Zusammenhänge", wie es 1971 noch geheißen hatte, formulieren die zwei Offiziere das Ziel so: Man "entschied sich für eine militärische Ausbildung der zukünftigen Leistungselite".

An die illusorischen Anfänge sozialdemokratischer Militärzähmung erinnert sich keiner. Als stern-Chefredakteur Werner Funk die Einladung des Nazis Manfred Roeder in die Führungsakademie kommentierte, erinnerte er sich nicht an Wolf Graf von Baudissin, sondern ernannte Ulrich de Maizière, den mit der "Sprachzucht", zum Erfinder der Inneren Führung.