Der Lübecker Prozeß

Die Hexen von Lübeck

Haben linksextremistische lesbische Flintenweiber den Freispruch Safwan Eids zu verantworten?

Die eine wirkt "knabenhaft-streng" und tritt "betont sachlich und entschieden" auf. Sie ist die Macherin, "organisiert" und "koordiniert". Die andere trägt einen kurzen Rock zu schwarzen Strümpfen, hat langes Haar und wirkt "betörend im Augenaufschlag und samtweich im Ton, selbst im aggressivstem Angriff". Derart klischeehaft beschrieb Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen im Spiegel (40/1996) die beiden Juristinnen, Gabriele Heinecke und Barbara Klawitter, die die Verteidigung von Safwan Eid übernommen hatten. Spiegel-Leser wissen mehr; und zumindest die Herren unter ihnen haben durch die Lektüre von Playboy oder Pornoheftchen gelernt, was sie von solchen Stereotypen bei paarweise auftretenden Frauen zu halten haben.

In der Zeit vom 13. Dezember 1996 beschrieb Andreas Fink die Anwältin Heinecke als Möchtegern-Feuchtwanger-Figur, die sich einbilde, einen Unschuldigen zu verteidigen, sich durch ihre Argumentation aber selbst diskreditiere. "Vom Eifer einer Advokatin" ist sein Prozeßbericht überschrieben, in dem das Bild einer zwanghaft agierenden, linken Einpeitscherin gezeichnet wird. Sie sei "derzeit ein Star der linken, 'antifaschistischen' Szene des Landes". Solches wußte auch stern-Kollege Peter Sandmeyer Ende 1996 zu berichten, der brav alle verfänglichen Worte wie "antirassistische" (Solidaritätsszene) oder "bundesweite" (Demonstration) in Anführungsstriche setzte. Auch stern-Leser wissen mehr: Rechtsanwältin Heinecke habe nämlich, so stand es gleich im ersten Absatz des Artikels, auch den Ex-DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph und das autonome Kampfblatt radikal verteidigt. Da wissen wir doch gleich Bescheid, oder?

Was also kann zwei deutsche Frauen, Angehörige eines anerkannten Berufsstandes, dazu bringen, einen jungen Ausländer zu verteidigen, der nicht zugeben wollte, was man so gerne von ihm hören wollte? Was, wenn das Motiv von Verliebtheit (und wir wissen ja alle, dies wäre dann wenigstens weiblich!) beim besten Willen nicht zu finden ist? Irgendwas mußte doch, so will es die Logik der vorverurteilenden Presseberichterstattung, mit jenen beiden Juristinnen nicht stimmen, die es wagten, sich gegen die öffentliche Meinung und gegen die Lübecker Justizbehörden zu stellen.

Vor allem in jenen Phasen des Verfahrens, als eine Verurteilung Safwan Eids erwartbar schien, wurden Gabriele Heinecke aus Hamburg und Barbara Klawitter aus Hannover in der Berichterstattung zu durchgeknallten, mindestens aber höchst suspekten Frauen gestempelt, deren Motive ziemlich unlauter seien. So wurden Engagement und Leistung der Verteidigerinnen nicht etwa als Zeichen ihrer Professionalität gewertet, sondern ganz im Gegenteil als Gesinnungsreflexe disqualifiziert. Vom strategischen Geschick der Verteidigung dagegen wollte niemand sprechen. Das unterscheidet die Anwältinnenhetze von der aus den siebziger Jahren sattsam bekannten: Zwar ging die Presse mit den "Terroristenanwälte" auch nicht gerade zimperlich um, wenn sie deren "linksextreme Gesinnung" genüßlich ausschlachtete, um die Männer zu denunzieren, aber daß Croissant, Schily oder Mahler zugleich excellente Anwälte waren, wurde niemals bezweifelt.

Gabriele Heinecke und Barbara Klawitter haben nicht mehr getan, als ein guter Anwalt tun sollte: Sie haben ihren Mandanten nach allen Regeln der Kunst verteidigt. Wenn ein Herr Rolf Bossi dies für den Steuerschuldner Graf tut, wird das kritisch und respektvoll kommentiert. Wenn Johann Schwenn den früheren DDR-Abwehrchef Wolf mit Bravour vertritt, wird es immer noch lobend erwähnt. Wenn zwei Juristinnen, die keinen Hehl daraus machen, einen linken und eben auch antirassistischen Standpunkt einzunehmen, eine funktionierende Verteidigung für einen Asylbewerber aufbauen, dann darf man wohl froh sein, daß wenigstens die Hexenverbrennung abgeschafft wurde.