Dienstag, 16.07.2024 / 14:29 Uhr

Hilfsstellung für die Hamas: Der äquidistante Kniff des Auswärtigen Amtes

Annalena Baerbock, Bildquelle: Wikimedia Commons, Michael Brandtner

Das deutsche Auswärtige Amt hilft mit seinem äquidistanten Narrativ der Hamas.

 

Am 10.07. postete das Auswärtige Amt auf der Plattform X:

            „#Gaza: Dass Menschen getötet werden, die in #Schulen Schutz suchen, ist nicht hinnehmbar. Zivilisten, gerade auch Kinder, dürfen nicht zwischen die Fronten geraten. Die wiederholten Angriffe der israelischen Armee auf Schulen müssen aufhören & eine Untersuchung muss rasch kommen.[i]

Kein Wort darüber, dass sich Terroristen der Hamas und des Islamischen Dschihad in eben jener Schule verschanzt hatten. Kein Wort darüber, dass die Hamas wiederholt palästinensische Zivilisten als Schutzschilde benutzt.[ii] Kein Wort darüber, dass das Israelische Militär eben jenen Angriff zwei Mal verschoben hat, um Zivilisten zu schützen[iii]. Und das, obwohl all diese Fakten öffentlich sind und die ein Nah-Ost-Experten des Auswärtigen Amtes sehr gut wissen sollte.

Stattdessen wird in diesem Tweet ein Bild gezeichnet, das Israel als unmoralischen Aggressor erscheinen lässt, der unschuldige Kinder, die in einer Schule Schutz suchen, mordet. Diese Verzerrung der Nachrichten, Israel betreffend, im Auswärtigen Amt ist kein Einzelfall. Schauen wir uns eine Rede an, die Baerbock am 24.06. auf einer Sicherheitskonferenz an der Reichmann-Universität in Herzliya, Israel, hielt, so sehen wir ein Auswärtiges Amt, das sehr fleißig an einem Narrativ arbeitet, das die Realität bestenfalls noch verzerrt darstellt und negative Auswirkungen auf Israel haben könnte.

Es ist vorteilhaft, ihre Rede vor diesem Artikel zu lesen, jedoch nicht zwingend notwendig.

Ja, aber ...

Baerbock (oder synonym das Auswärtige Amt „AA“) beginnt mit persönlichen Eindrücken aus Israel nach dem 07. Oktober und leitet damit den Rahmen der ganzen Rede ein, das bekannte „Ja, der 07. Oktober, aber...“.

Sie warnt vor einer unbeabsichtigten Eskalation des Krieges mit der Hisbollah, was im Folgenden dann auch ihr Ton sein wird: Israel sei sich gar nicht richtig bewusst, was gerade passiere und worauf all dies hinauslaufen könne. Schon alleine dieses unbeabsichtigt. Tatsache ist, dass die Hisbollah seit dem 08. Oktober zur Unterstützung der Hamas Israel tagtäglich mit Raketen beschießt, worauf Israel reagiert[iv]. Hisbollah agiert, Israel reagiert. Hisbollah ist der Aggressor, Israel verteidigt sich selbst. Wenn man vor einer unbeabsichtigten Eskalation warnt, dann sollte man diese Warnung eindeutig und klar an den Aggressor adressieren. Richtet man diese Warnung an beide Seiten, erscheint der Eindruck, beide Seiten wären gleichermaßen an der Fortführung dieses Konfliktes schuldig. Ein Narrativ, das schon lange und immer wieder auch durch die Warnung vor einem sogenannten Flächenbrand[v]nicht unwesentlich aufgebaut wird, unabhängig von den tatsächlichen Intentionen der Akteure. Das zeigt sich auch daran, wenn sie behauptet, dass „internationale Partner über die VN-Mission UNIFIL und andere Instrumente versuchen [würden], eine weitere Eskalation an der Grenze mit mit Libanon zu verhindern“. Hisbollah verletzt seit dem 08. Oktober die UN-Resolution 1701, aber just zu dem Zeitpunkt, wenn sich Israel offensiver als sonst selbst verteidigt[vi], plädiert sie gegen eine Eskalation. 

Wieder auf Gaza zu sprechen kommend, zielt Baerbock auch hier auf eine Relativierung der Hamas und des Islamischen Dschihad, indem sie in einem Atemzug mit deren terroristischer, genozidaler Massaker die Fehler und Missetaten auf Israelischer Seite benennt. So langsam kristallisiert sich die Stoßrichtung aus: Eine Äquidistanz, in der beide Seiten, sowohl Hamas als auch Israel, gleichermaßen verurteilt werden.

Äquidistanter Kniff

Diese Äquidistanz wird möglich durch einen Kniff: Baerbock ermahnt in ihrer Rede das Israelische Publikum, sich an Grundsätze des Völkerrechtes „Unterscheidung, Vorsicht und Verhältnismäßigkeit“ zu halten und ergänzt, sie wolle nicht, dass „Israel sich in diesem Krieg verliere“. Einerseits erkennt sie also die Gräueltaten der Hamas und des Islamischen Dschihad an; aber andererseits jedoch stellt sie nun Israel als Kriegspartei hin, die nicht mehr zwischen Zivilisten und Terroristen unterscheide, nicht mehr vorsichtig vorgehe, deren Aktionen nicht mehr verhältnismäßig seien, die sich in diesem Krieg verliere. Und sie geht sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnet Israels Vorgehen tatsächlich als von Wut getrieben.

Dass die Israelische Gesellschaft außerordentlich wütend auf Hamas, Islamischer Dschihad und Hisbollah ist, sollte keinen überraschen. Aber diese Wut hat keinen Einfluss auf eine professionelle Armee hinsichtlich Strategie und Taktik. Experten für urbane Kriegsführung bestätigen derweil der IDF eine besonnene, vorsichtige und auf Zivilisten achtende Vorgehensweise[vii]. So viel rationale Professionalität sollte bei der IDF jedenfalls nicht überraschen. Aber diese Unterscheidung zwischen wütender Gesellschaft und vernünftig denkenden Befehlshabern einer professionellen Armee trifft Baerbock nicht, das würde nicht in das Narrativ passen, das sie etablieren möchte.

Kurz: Israel erscheint hier als blinde, rachsüchtige Kriegspartei und es benötige nun die vernünftige Äquidistanz einer deutschen Außenministerin, die besser als Israel wisse, wie man die Israelische Sicherheit langfristig sicherstellen könne, die „einen realistischen Blick auf das zukünftige Gaza“ werfe.

Ein Staat als Belohnung für Terror?

Und wie man am besten Israels Sicherheit auch langfristig sicherstellt, ist für Baerbock klar und für alle anderen wenig überraschend: Ein eigener palästinensischer Staat. Und das wenige Monate nach dem 07. Oktober. Will man die palästinensischen Terroristen für den 07. Oktober belohnen, dann wäre das das geeignete Geschenk.

Baerbock verliert auch kein Wort darüber, dass es die palästinensische Seite ist, die jede Friedensverhandlung der Vergangenheit, die auf einen eigenen Staat abzielte, torpedierte[viii] und dass sich die Hamas in ihrem quasi-staatlichen Gaza-Streifen nur den Terror, bzw. Vorbereitung des Terrors, gegen Juden gerüstet hat, und nebenbei auch noch gegen jede unliebsame Menschen in Gaza (beispielsweise gegen Homosexuelle[ix] und gegen politische Opposition[x]).

Das AA inszeniert sich selbst also als vernünftige Sprecher aus der Äquidistanz heraus, die möglich wird, indem man einerseits die Gräueltaten des 07. Oktober verurteilt, andererseits nun aber auch Israel als blinde, rachsüchtige Kriegspartei hinstellt. Das bereits bekannte „Ja, der 07. Oktober, aber“. Und in dieser vernünftigen Äquidistanz müsse man nun Israel zur Vernunft ermahnen, um dessen Sicherheit langfristig zu gewährleisten. Soweit zum vom AA vertretenen Narrativ.

Tatsächlich jedoch möchte man Israel daran hindern, weiter gegen den Terrorismus sich selbst zu verteidigen. Natürlich redet sie davon, dass ein zukünftiges Palästina frei von Terrorismus, demokratisch, friedlich etc. sein solle. Nur was sie eben nicht erwähnt, ist, wie das erreicht werden soll, solange die Hamas noch über ca. 40% ihrer ursprünglichen Kämpfer[xi] verfügt und weiter als Massenorganisation fest in der Bevölkerung Gazas verankert ist[xii].

Der Hamas in die Hände spielen

Jetzt also eine Waffenruhe und Frieden zu fordern, bevor die Hamas militärisch vollständig besiegt ist oder bedingungslos kapituliert hat, spielt der Hamas in die Hände und richtet sich sowohl gegen Israel im Hier und Jetzt als auch gegen die zukünftige Sicherheit Israels.

Baerbock will nicht den Aggressor (Hamas, Islamischer Dschihad, Hisbollah) knebeln, sondern Israels Recht auf Selbstverteidigung knebeln. Das tut sie, indem sie auf ein Narrativ pocht, in dem die Selbstverteidigung Israels als blinder Rachefeldzug erscheint und sie sich als rationale Stimme des Friedens aus der Äquidistanz heraus darstellt.

Eine Stimme des Friedens, die freilich nichts weniger als die deutsche Staatsräson, Israels Sicherheit, im Auge habe und die nur gewährleistet werden könne, wenn Israels Krieg in Gaza sofort enden würde und ein palästinensischer Staat entstehen würde.

Mit Hilfe dieses realitätsfernen Narratives schafft sie es tatsächlich, die deutsche Staatsräson, das Pochen auf Israels Sicherheit, GEGEN Israel zu verwenden. Mit dieser Forderung erfüllt sie auch den Wunsch ihres Amtskollegen Ismail Hanija, Auslandschef der Hamas, der neulich die Vermittlerstaaten Ägypten, USA und Katar gebeten hat, endlich Israels Vorgehen gegen die Hamas in Gaza zu stoppen.