Montag, 02.10.2023 / 23:08 Uhr

Nach Kim Jong Un, Putin trifft Haftar

Haftar in Moskau, Bildquelle: Haftars Büro

Der Warlord Khalifa Haftar, dessen Streitkräfte den Osten Libyens kontrollieren, hat sich in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen, was Fragen nach den Gründen für diesen Besuch und den Absichten Russlands aufwirft.

 

In einer kurzen Erklärung teilte das Informationsbüro des Generalkommandos der libyschen Armee mit, der Befehlshaber der libyschen Armee (die Kräfte, die den Osten Libyens kontrollieren), Khalifa Haftar, habe sich am Donnerstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergej Schoigu in Moskau getroffen. Dies bestätigte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gegenüber russischen Agenturen: »Dabei wurde die Lage in Libyen und in der Region besprochen.«

Nach Angaben libyscher Medien war die Zusammenkunft zwischen Haftar und Putin das erste seit 2019. Es fand etwa zwei Wochen nach der Katastrophe statt, die der Wirbelsturm Daniel in vielen Städten im Osten Libyensangerichtet hatte, insbesondere in Derna, wo mehr als 3.800 Einwohner getötet wurden und etwa 10.000 noch vermisst werden.

Haftar unterhält enge Beziehungen zu Russland und setzte bei seinem Versuch, die libysche Hauptstadt Tripolis zu kontrollieren, zwischen April 2019 und Juni 2020 auch russische Söldner der Gruppe Wagner ein. Seitdem sind die Wagner-Kräfte im Osten Libyens stationiert, von wo aus sie auch immer wieder in Nachbarländern wie dem Sudanoder Niger agieren.

Presseberichten zufolge sind die Wagner-Söldner in Libyen zwischen den Städten Sirte und Benghazi aktiv. Stationiert sind sie auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Qardabiya, seinem Seehafen und dem Luftwaffenstützpunkt Al-Jufra, haben ihre Präsenz aber auch auf den Südwesten ausgedehnt, wo sie auf dem Luftwaffenstützpunkt Brak Al-Shati, 700 Kilometer südlich von Tripolis, eine Basis unterhalten.

Offizielle russische Präsenz

Als Antwort auf die Frage, warum genau Putin nun mit Haftar zusammentraf, sagte der Politikwissenschaftler Muhammad Buisir in einem Fernsehbricht der arabischsprachigen Deutschen Welle, Haftar entwickle eine Allianz mit Russland, »und diese Allianz hat einen Punkt erreicht, an dem die Russen nun offiziell in Libyen auftreten und nicht mehr nur durch Wagner«. So habe der stellvertretende russische Verteidigungsminister Yunusbek Yevkirov den Osten Libyens seit letzten August zweimal besucht.

Russland sei die stärkste Partei in diesem Bündnis und habe beschlossen, Haftars Fähigkeiten in Libyen zu stärken, um so die russischen strategischen Ziele in Libyen und Afrika zu erreichen, erklärte Buisir. »Die Russen wollen langfristige Zugangsrechte für ihre Kriegsschiffe im Osten Libyens, insbesondere im Gebiet der Bomba-Bucht, wo sich eine Militärbasis befindet.«

Moskau verfolge in Libyen vier grundlegende Ziele: Das erste sei die Stärkung von Haftars Macht im Osten, das zweite die Präsenz russischer Soldaten an der Küste, die an den südlichen Flügel der NATO angrenzt. Das dritte Ziel sei die Präsenz der Russen in den libyschen Ölregionen, und das vierte die Stärkung Libyens als Korridor für die Belieferung von Moskaus Verbündeten in Niger, Mali und Burkina Faso, fasste Buisir die russischen Pläne zusammen.

Eine Expertin für libysche Angelegenheiten, die ihre Identität aus Sicherheitsgründen nicht preisgeben wollte, meinte gegenüber der arabischsprachigen Version von France 24 hingegen, Haftars Besuch falle in den »Rahmen der Gespräche über das Schicksal der Kämpfer der Wagner-Gruppe im Osten Libyens«. Haftar suche nach Möglichkeiten, die Wagner-Söldner loszuwerden, die für ihn im Osten Libyens zu einer Bedrohung geworden sind: »Deshalb sucht er das Gespräch mit Moskau.«

Haftar befinde sich in einer schwierigen Situation, »da er von vielen Ländern unter Druck gesetzt wird, insbesondere von den Vereinigten Staaten von Amerika und der Türkei«. Die anonyme Expertin fügte hinzu, die Zahl der Mitglieder der Wagner-Gruppe betrage in Libyen mittlerweile nicht mehr als tausend Kämpfer, da die meisten von ihnen in die Ukraine verlegt worden seien.

Letzten Endes verfolgt Haftar mit seinem Besuch in Moskau und dem Treffen mit Putin mehrere Ziele. Die Stärkung der russischen Interessen in Libyen und der Region ist jedoch die wahrscheinlichste Intention Moskaus angesichts seines Strebens nach Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent und im südlichen Mittelmeerraum.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch