Samstag, 12.08.2023 / 11:12 Uhr

Auf Entzug

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Vor einiger Zeit war vom Gemüsehändler meines Misstrauens zu vernehmen, dass die Natur massiv darunter leiden würde, wenn man von einem Moment auf den anderen den durch Autos verursachten CO2-Ausstoss qua Intervention drosseln würde. Das sei, bemerkte er, so wie wenn man ein paar älteren Menschen, die ein Leben lang geraucht und gebechert hätten, Alkohol und Zigaretten entzöge. „Die würden sofort kollabieren.“

Bekanntlich ist nicht alles was hinkt ein Vergleich, aber diese von meinem Gegenüber bemühte Veranschaulichung sollte ein solcher sein. Dessen ideologischer Gehalt besteht im Kern aus einer zutieftst wissenschaftsfeindlichen Affirmation bestehender menschengemachter Misere, welche mit einer Abwehr jeglicher Versuche einer Beseitigung der Ursachen einherging. 

Dass eine derartige Anschauung indes keine lediglich verschrobene Einzelmeinung ist, sondern vielmehr anknüpfungsfähig - wenn nicht gar integraler Bestandteil bestimmter ideologischer Milieus - wird am Beispiel jenes mit den „Freien Sachsen“ sympathisierenden und die AfD von rechts angreifenden Landschaftsbauers, der im SPIEGEL zitiert wird, deutlich: »Die Pflanzen verhungern, wenn wir weniger CO₂ in der Luft haben.«

Das schlechte Bestehende soll da gegen jeglichen Gedanken, dass es auch anders ginge, dass die Dinge vielleicht noch einmal besser werden könnten, mit irrationalem Beharren immunisiert werden. Wirtschaft wird für gesunde Natur gesetzt, um den unter gegebenen Eigentums- und Produktionsverhältnissen bestehenden Widerspruch zwischen beidem zu verdunkeln. 

Dass der zwischen „Freien Sachsen“ und AfD oszillierende Landschaftsbauer nicht gerade eine besondere Zuneigung zu geflüchteten Menschen hegen dürfte, ist keine gänzlich abwegige Annahme. Da passt die Leugnung eines menschengemachten Klimawandels, welche stattdessen bloße Wetterschwankungen postuliert, wie die Faust aufs Auge. Schließlich werden Fluchtbewegungen zu nicht unwesentlichen Teilen in jüngerer Zeit auch durch drastische Klimaveränderungen in manchen Regionen verursacht, ein Szenario, vor dem nicht nur Flüchtlingsorganisationen, sondern inzwischen auch um ihren Shareholder value bangende Einrichtungen wie die Zuricher Versicherungsgruppe warnen

 

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Würde man die menschliche Verstrickung in diesen Wandel der Natur anerkennen, ergäbe sich eine - sogar der Flucht selbst noch vorgelagerte - ethische Verantwortung denen gegenüber, die am stärksten betroffen sind. Da gerade in der sich anbahnenden Katastrophe auch die verhasste Erkenntnis der Einheit der Menschheit aufzuflackern droht, wird diese mit Ideologemen der Leugnung des durch die Menschheit ausgelösten Klimawandels abgewehrt und jegliche Interventionen - sei es zugunsten von Flüchtlingen oder zwecks Reduktion von Schadstoffemissionen - als das eigentliche Übel halluziniert.