Montag, 29.05.2023 / 22:59 Uhr

Erneut gewinnt Erdogan die Wahlen

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Gastbeitrag von Redaktion Mena Watch

Wahlplakat in Ankara, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

Während ausländische Staatsoberhäupter dem alten und neuen Präsidenten zu seinem Wahlsieg gratulierten, hielt Recep Tayyip Erdogan in seiner Siegesrede den polarisierenden Ton gegenüber seinen Rivalen aufrecht.

 

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sicherte sich nach zwanzig Jahren an der Macht am Sonntag eine weitere Amtszeit, als er in der Stichwahl um das Präsidentenamt seinen Herausforderer und wichtigsten Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu besiegte. Erdogan gewann die bislang am stärksten umkämpfte Wahl in der Türkei, die ein Ausdruck der tiefen Spaltung war, in dem sich das Land in Fragen der Wirtschaft, der nationalen Sicherheit, der Flüchtlinge und der Außenbeziehungen befindet.

Die Oberste Wahlbehörde (YSK) gab Erdogans Sieg am späten Sonntagabend bekannt. Nach den von YSK-Chef Ahmet Yenel genannten inoffiziellen Ergebnissen erhielt Erdogan 52,14 Prozent der Stimmen, während Kilicdaroglu auf 47,86 Prozent kam.

Zahlreiche aktuelle und ehemalige Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, darunter der russische Präsident Wladimir Putin und der ehemalige US-Präsident Donald Trump, beglückwünschten Erdogan zu seinem Ergebnis. In seiner Botschaft bezeichnete Putin Erdogans Sieg als klaren Beweis für die Unterstützung des türkischen Volks für die Bemühungen des Präsidenten, »die staatliche Souveränität zu stärken und eine unabhängige Außenpolitik zu betreiben«.

Im Gegensatz zu seinen Wahlkampfauftritten hielt Erdogan die Rede zur gewonnenen Wahl am Montagmorgen nicht in seiner Parteizentrale in Ankara, sondern auf dem Gelände des Präsidentenpalastes. Vor Hunderttausenden von Menschen, die sich vor Ort versammelt hatten, behielt er seinen polarisierenden Ton gegenüber seinen Rivalen Kemal Kilicdaroglu und wiederholte seine Behauptung, dieser habe während des Wahlkampfs mit verbotenen kurdischen Kämpfern zusammengearbeitet. Erdogan selbst versprach, weiterhin gegen kurdische Gruppen in Nordsyrien vorzugehen.

Kilicdaroglu räumte seine Niederlage ein, nachdem die Ergebnisse Erdogan einen unüberwindbaren Vorsprung von vier Prozent bescheinigt hatten. Allerdings sagte er in einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz in der Parteizentrale in Ankara, das Land sei Zeuge eines unfairen Wahl(kampf)prozesses gewesen. »Meine wirkliche Traurigkeit betrifft die Probleme, die auf das Land warten.«

Große Herausforderungen

Überall in der Türkei gingen Erdogan-Anhänger auf die Straße, um den Sieg ihres Kandidaten zu feiern. In einer Ansprache vor seinen begeisterten Fans am frühen Sonntag in Istanbul dankte Erdogan ihnen dafür, ihm eine weitere fünfjährige Amtszeit anvertraut zu haben. »Jeder einzelne der 85 Millionen Bürger unseres Landes ist ein Gewinner der Wahlen vom 14. und 28. Mai«, sagte er und fügte hinzu: »Ich möchte jedem einzelnen Mitglied unserer Nation danken, das uns erneut die Verantwortung übertragen hat, das Land in den nächsten fünf Jahren zu regieren.«

Der Sieg des amtierenden Präsidenten war allgemein erwartet worden, nachdem Erdogan in der ersten Runde am 14. Mai einen Vorsprung von fast fünf Punkten vor Kilicdaroglu erzielt hatte. Auch die Kontrolle über das Parlament konnte Erdogans Wahlbündnis verteidigen, indem es die Mehrheit der Sitze errang. 

Der Sieg gegen seinen Herausforderer, mit dem Erdogan zum längst dienenden Staatschef in der Geschichte der Türkei avanciert, festigt seine Exekutivpräsidentschaft. Angesichts der immer neue Höhen erreichenden Inflation und einer akuten Krise bei den Lebenshaltungskosten wird Erdogan vor großen Herausforderungen stehen. 

Die Nettodevisenreserven der türkischen Zentralbank fielen zum ersten Mal seit 2002 unter Null, wie aus den Anfang der Woche veröffentlichten offiziellen Daten hervorgeht. Die Opposition wirft der Zentralbank vor, unter Erdogans Einfluss ihre Devisenreserven verbrannt zu haben, um den dramatischen Verfall der türkischen Lira einzudämmen, und harte Devisen durch diverse Hintertüren in den Markt geschleust zu haben. In seiner Rede am frühen Montag versprach Erdogan, der Wirtschaft Priorität einzuräumen, schloss aber ein Programm des Internationalen Währungsfonds (IWF) aus. 

Die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl lag bei fast 85 Prozent und war damit etwas niedriger als die 88 Prozent bei der ersten Runde am 14. Mai und auch niedriger als bei früheren Wahlen.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch