Freitag, 12.01.2018 / 10:24 Uhr

Neue Flüchtlingswelle in Syrien

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Die Provinz Idlib in Nordwestsyrien ist eine der letzten größeren von syrischen Rebellen gehaltenen Gebiete. Zugleich haben dort Hunderttausende von Binnenvertriebenen Zuflucht gesucht, zuletzt etwa viele jener Bewohner Ostaleppos, die 2016 aus der Stadt evakuiert wurden. Eigentlich gehört Idlib zu den Deeskalationszonen in Syrien, die von Russland, der Türkei und dem Iran vereinbart wurden, und in denen nicht weiter gekämpft werden soll. Nur weder Iraner, noch Russen, noch die syrische Armee scheren sich groß um Deeskalation und haben Anfang Januar eine Großoffensive auf von Rebellen kontrollierte Gebiete begonnen.

"In dem Gebiet an der Grenze zur Türkei leben nach UN-Angaben mehr als 2,5 Millionen Menschen, darunter mehr als eine Million Vertriebene."

Die Folge: Eine neue Flüchtlingswelle von Menschen, die oft nun zum zweiten oder dritten Mal in den vergangenen sechs Jahren vor russischen oder syrischen Bombenflugzeugen zu entkommen versuchen. Wohl vergeblich diesmal, denn die türkische Grenze ist zu, gesichert durch einen Hunderte von Kilometern langen Sperrwall – und die Türkei, in der schon jetzt knapp drei Millionen Syrer leben, weigert sich, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Europa schottet seinen Grenzen ab und wer es auf eine griechische Insel schafft, muss dort unter menschenunwürdigen Bedingungen in provisorischen Zelten ausharren. So rennen diese Syrer, denen in ihrer Heimat die Bomben auf den Kopf fallen, sprichwörtlich gegen Mauern. Proteste aus Europa bleiben, wie so oft, aus oder beschränken sich auf müde Appelle an alle Seiten:

Es ist eine große Welle fliehender Menschen‘, sagte der Sprecher der Hilfsorganisation Violet Syria, Nur Awad. Die Lage der Vertriebenen sei sehr schlecht. ‚Sie flüchten mit nichts anderem als ihren Kleidern am Leib.‘ Awad zufolge mangelt es vor allem an Unterkünften. Vor allem nachts sei es im Winter sehr kalt.

Auch das UN-Nothilfebüro Ocha erklärte, die Lage in der Provinz Idlib sei ‚extrem schlimm‘. Demnach haben die meisten Vertriebenenlager in der Region ihre Kapazität erreicht. Hilfsorganisationen hätten Probleme, den wachsenden Bedarf an Hilfsgütern zu decken. ‚Diese neue Situation hat sich im vergangenen Monat recht schnell entwickelt‘, sagte ein Mitarbeiter einer ausländischen Hilfsorganisation. Die Situation sei schon vor der neuen Fluchtwelle sehr schwierig gewesen.

Den UN zufolge flieht ein Großteil der Menschen in Richtung türkischer Grenze. Beobachter befürchten, sie könnten versuchen, ins Nachbarland zu kommen, sollte die Gewalt andere Gebiete erreichen. In dem Gebiet an der Grenze zur Türkei leben nach UN-Angaben mehr als 2,5 Millionen Menschen, darunter mehr als eine Million Vertriebene. Seit Beginn des Bürgerkriegs vor fast sieben Jahren sind demnach rund 5,5 Millionen Syrer in benachbarte Länder geflohen.