Die Afghanin Mahtab Eftekhar berichtet aus dem Exil über ihr Schicksal und das ihrer Tochter

Peitschenhiebe oder Exil

Oft werden Mädchen in Afghanistan von ihrer eigenen Familie zwangsverheiratet. Die 26jährige Mahtab Eftekhar erzählt aus dem iranischen Exil über ein Schicksal, das nach ihr nun auch ihrer minderjährigen Tochter widerfahren könne.

»Meine Tochter ist eine Künstlerin, sie war mit ihren Zeichnungen und ihrer Arbeit schon im Fernsehen, 2021, bevor die Taliban an die Macht kamen«, sagt die 26jährige Mahtab Eftekhar der Jungle World. Sie sei stolz auf ihre 14jährige Tochter Zahra: »Sie hatte große Pläne, wollte Kunst studieren, wollte eine Stimme für unterdrückte Frauen sein. Schon bei ihren Fernsehauftritten nutzte sie die Gelegenheit, um über die Schwierigkeiten zu sprechen, die Frauen wie ich durchmachten.« Das war vor der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021, als Zahra ihrer Mutter zufolge öffentlich darüber sprach, wie Frauen in Afghanistan misshandelt werden. Doch die Fernsehauftritte Zahras gehören der Vergangenheit an.

Die Taliban machten ihr einen Strich durch die Rechnung; sie haben Mädchen und Frauen den Schulbesuch ab der siebten Klasse und den Besuch von Hochschulen und Universitäten komplett untersagt. Doch Zahra, so ihre Mutter, sei durch ihre familiäre Situation noch mehr von der Außenwelt und Bildungsmöglichkeiten abgeschnitten als ihre durchschnittlichen Altersgenossinnen.

Denn vor wenigen Wochen erhielt Eftekhar, selbst erst in den Iran geflohen, die Nachricht, dass ihre Tochter mit ihrem Cousin verheiratet werden solle. »Ich habe meinen Bruder angerufen, ihn angefleht, er solle seinen Sohn nicht mit meiner Tochter verheiraten, aber er sagte, das sei nicht meine Entscheidung. Es sei eine Sache zwischen meinem Ex-Mann und ihm«, schildert sie das Gespräch. Überhaupt habe sie nur von der geplanten Heirat erfahren, weil ihre ehemaligen Nachbarn ihr Bescheid gesagt hätten. »Ich kann nicht einmal mehr mit meiner Tochter direkt sprechen oder Kontakt aufnehmen«, klagt sie. Sie wisse daher nicht, wie es ihr geht.

Seit August 2021 kamen mehr als eine Million Geflüchtete aus Afghanistan ins Nachbarland Iran

Nachdem ihr Ex-Mann immer brutaler zu ihr geworden sei – seit die Taliban wieder an der Macht waren, fühlte er sich sicher, wenn er ihr Gewalt antat –, habe sie sich 2023 scheiden lassen. Es war kein einfaches Unterfangen unter dem Sharia-Regime, doch die zu dem Zeitpunkt 25jährige setzte sich durch. Sie flüchtete mit ihrer Tochter aus der Provinz Helmand nach Kabul, wollte ein eigenes Leben aufbauen. Sie habe allerdings ihren Sohn vermisst, der beim Vater bleiben musste, sonst hätte dieser keiner Scheidung zugestimmt. Unter dem Vorwand, sie mit dem Sohn besuchen zu wollen, sei ihr Ex-Mann nach Kabul gekommen und habe die gemeinsame Tochter entführt. »Ich habe meine Kinder seitdem nicht gesehen«, sagt Eftekhar.

Sie sei verzweifelt darüber, dass ihrer Tochter eine Zwangsehe drohe. Auch sie selbst hatte eine solche mit ihrem Cousin eingehen müssen. »Ich erinnere mich nicht mehr genau, wann meine Hochzeit war, es ist 17 Jahre her. Ich war zehn Jahre alt«, sagt sie. Sie weiß aber noch, dass sie nicht verstanden habe, dass sie verheiratet werden sollte. Ihre Hochzeitsnacht beschreibt sie als Vergewaltigung. Sie habe Verletzungen davongetragen, die nie richtig geheilt seien. Bis heute leide sie gesundheitlich an den Folgen. Im Alter von zwölf Jahren sei sie zum ersten Mal schwanger geworden und habe eine Tochter geboren, die früh verstarb. Ein Jahr später hätte sie ihre zweite Tochter bekommen, die auch noch als Baby verstarb, weil ihr Ehemann sich geweigert habe, das erkrankte Kind ins Krankenhaus zu bringen.

Den Taliban entkommen. In Iran leben Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan, darunter auch viel Frauen und Kinder. Schülerinnen in der Flüchtlingssiedlung Semnan

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Bild:
UNHCR

2010 gebar Eftekhar ihre dritte Tochter. »Auch sie kam schwach zur Welt, untergewichtig und ihre Gesundheit verschlechterte sich weiter«, schildert sie. Aus Sorge um ihr Baby sei Eftekhar zu ihrer Mutter in die Hauptstadt Kabul geflüchtet, wo das Kind die notwendige medizinische Versorgung erhalten habe. 2019 habe sie schließlich den Sohn geboren, den ihr Mann die ganze Zeit gefordert habe. Alles schien sich ein wenig zu bessern, ihre Tochter habe früh ihr Zeichentalent entdeckt. Doch dann kamen die Taliban an die Macht.

Nun lebe Eftekhar als Geflüchtete ohne regulären Aufenthaltsstatus im Iran, so wie nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks fast 4,5 Millionen Afghanen. Seit August 2021 kamen demnach mehr als eine Million Geflüchtete ins Nachbarland.

Eftekhar könne aber im Iran nicht legal arbeiten und sich nicht in staatlichen Krankenhäusern medizinisch behandeln lassen, auch wenn es ihr durch den jahrelangen Missbrauch durch ihren Mann und seine Familie gesundheitlich sehr schlecht gehe: »Ich habe Schmerzen am ganzen Körper«, sagt sie, und mehr noch mache sie sich Sorgen um ihre Tochter. »Ich brauche Hilfe dabei, sie da rauszuholen!« Bisher habe sie die aber nicht finden können.