Was die ASMR-Videos über neue Entspannungstechniken verraten
Die Content-Produzentinnen des nicht mehr ganz neuen 21. Jahrhunderts beschäftigen sich seit einigen Jahren mit etwas, worauf man nicht sofort kommt: mit der Kopfhaut. Genauer gesagt mit einem besonders angenehmen Kribbeln, das sich dort bilden soll, ausgelöst durch audiovisuelle Reize der alltäglichen Sorte. Haare kämmen, Folien knistern, Plastikfingernägel tippen auf einem Smartphone-Display herum – all diese Tätigkeiten haben eines gemein, nämlich dass sie bestimmte Menschen in einen Zustand versetzen, den die Pioniere auf diesem Feld in den frühen nuller Jahren »brain orgasm« nannten, bevor sich ein Sammelbegriff dafür fand: ASMR.
Das Akronym steht für »autonomous sensory meridian response« (autonome sensorische Meridianreaktion) und bezeichnet mittlerweile vor allem ein stetig wachsendes Genre von Videos, in denen geflüstert, gekratzt und an Klamotten herumgezupft wird. Allein auf Youtube gibt es mehrere Millionen solcher Clips. Und da nicht nur Ikea, sondern auch Kentucky Fried Chicken ASMR in einigermaßen bizarren Werbeclips eingesetzt hat, kann man festhalten, dass sich diese Form des Video-Contents nicht mehr recht wegdenken lässt.
ASMR ist kein neues Phänomen. Den Begriff prägte Jennifer Allen im Jahr 2010, nachdem sie zuvor monatelang in verschiedenen Internetforen nach diesem »ganz speziellen Gefühl« gesucht hatte, das vom Kopf den Rücken hinab wandern soll, ein bisschen wie eine ganz schwache elektrische Entladung. Seitdem hat sich ASMR schnell zu einem Massenphänomen der Online-Kultur entwickelt. 2019 war ASMR der meistgesuchte Begriff auf Youtube. Das ist umso bemerkenswerter, als ASMR in der Eigendarstellung seiner Produzenten stets ein ganz individuelles Empfinden anspricht. Jeder Mensch soll genau den Reiz finden, der ihn persönlich zum Erschauern bringt.
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