Im Senegal hat der Oppositionelle Bassirou Diomaye Faye die Präsidentschaftswahl gewonnen

Der Überraschungssieger

Bemerkenswerter Aufstieg für den künftigen senegalesischen Präsidenten Bassirou Diomaye Faye: Aus dem Knast zum Staatsoberhaupt.

Paris. Aus der Haft zum designierten Präsidenten, und das innerhalb von zehn Tagen: Ein solch bemerkenswerter Aufstieg gelang dem künftigen senegalesischen Staatspräsidenten Bassirou Diomaye Faye. Am Montagnachmittag gratulierten fast alle seiner 16 Mitbewerber der Präsidentschaftswahl vom Vortag: Faye konnte sich bereits im ersten Wahlgang mit einer absoluten Mehrheit von 53,7 Prozent durchsetzen.

Am 14. März kam der Mann, der am Montag 44 Jahre alt wurde, aus dem Gefängnis frei. Seit April vorigen Jahres war er inhaftiert gewesen, wegen »Verbreitung falscher Nachrichten, Richterbeleidigung und Verächtlichmachung staatlicher Institutionen«. Diese Anklagepunkte, wegen derer Faye zu keinem Zeitpunkt einem Richter oder einer Richterin vorgeführt wurde, rochen nach politischen Vorwürfen gegen ­einen Oppositionspolitiker.

Bei den Vorwürfen ging es darum, dass Faye einen Berufungsprozess gegen den damaligen Präsidentschaftsbewerber Ousmane Sonko kritisiert hatte, der wie er selbst der Partei Afrikanische Patrioten des Senegal für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit (Pastef) angehört. Der Prozess werde, so Faye, vorschnell geführt, um Sonko durch eine Verurteilung an einer Kandidatur zu hindern; denn diese kann der Oberste Gerichtshof im Falle eines Schuldspruchs untersagen.

Bei dem fraglichen Berufungsprozess ging es nicht um die Vorwürfe sexueller Handlungen in einem Massagesalon, die im vorigen Jahr Gegenstand eines bekannteren und wesentlich mehr Aufsehen erregenden Gerichtsverfahrens waren und für die Sonko zu zwei Jahren Haft verurteilt worden war, sondern um ein Verfahren, das der frühere Tourismusminister Mame Mbaye Niang gegen ihn wegen Beleidigung angestrengt hatte. In dieser Sache erhielt er eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten, doch wurden ihm auch die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen, was ihn von der Kandidatur ausschloss. Dies bestätigte das Oberste Gericht im Januar.

Faye und Sonko gehören derselben Partei an, doch sie unterscheiden sich in mehrerer Hinsicht. Der 48jährige Sonko verhält sich viel stärker wie ein Platzhirsch und vertrat reaktionäre gesellschaftspolitische Positionen. Er ist ein früherer Steuerbeamter und ging in dieser Funktion gegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung vor. Zugleich führte er eine Gewerkschaft an und wurde dadurch im Zeitraum 2012 bis 2016 prominent, er kritisierte Korruption und neokoloniale Interessen Frankreichs im Senegal. 2014 gründete er Pastef.

Sonko sprach sich für schärfere Strafen für homosexuelle Handlungen – derzeit droht das Strafgesetzbuch bei Analverkehr zwischen Männern bis zu fünf Jahre Haft an – sowie für die Todesstrafe aus.

In jungen Jahren war Sonko Mitglied der AEEMS, einer der Muslimbruderschaft nahestehenden Vereinigung. Er sprach sich für schärfere Strafen für homosexuelle Handlungen – derzeit droht das Strafgesetzbuch bei Analverkehr zwischen Männern bis zu fünf Jahre Haft an – sowie für die Todesstrafe aus. Er soll auch Geld aus dem Golfstaat Katar erhalten; entsprechende Hinweise publizierte die französische Wochenzeitung Le Canard enchaîné, hingegen hält das Magazin Jeune Afrique die Behauptung für unbewiesen. Die senegalesische Website Senego geht davon aus, Katar finanziere nicht direkt Sonko, sondern die senegalesische religiöse Brüderschaft der Mouriden, die ihrerseits Sonko politisch unterstützte.

Faye machte weniger durch Eklats auf sich aufmerksam. Er war ebenfalls Steuerbeamter und gegen Korruption sowie für bessere Arbeitsbedingungen der Staatsbediensteten aktiv. Er bezeichnete sich mitunter als »Kandidaten des Systemwechsels« und eines »linken Panafrikanismus«.

Pastef ist es offenkundig gelungen, Unzufriedene aus unterschiedlichen politischen Richtungen anzuziehen und unter seinem Dach zu vereinigen, womit er nun auch die Mehrheit der Wählerstimmen gewinnen konnte. Faye war dabei gewissermaßen der Plan B der Partei, nachdem Sonko nicht mehr kandidieren durfte. Am 31. Juli vergangenen Jahres wurde auch Pastef offiziell verboten.

Welche Konflikte mit Sonko auftreten werden, ist unklar. Dieser war wie Faye am 14. März zur Beruhigung der Lage freigelassen worden, nachdem heftige Protestdemonstrationen mit vier Toten gegen die Verschiebung der ursprünglich für den 25. Februar geplanten Wahl stattgefunden hatten.
Sehr kurzfristig hatte der scheidende senegalesische Staatspräsident Macky Sall die Wahl zunächst auf unbestimmte Zeit, dann »bis zum Jahresende« verschoben. Denn sein politisches Lager, das Premierminister Amadou Ba als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt hatte, musste mit einer Wahlniederlage rechnen – in der Tat unterlag Ba am Sonntag mit 36,2 Prozent der Stimmen.

Das Oberste Gericht hatte die Regierung Anfang März dazu verurteilt, die Macht definitiv spätestens zum Ende von Salls Amtsperiode am 2. April zu übergeben. Letztlich beugte sich das Regierungslager, zumindest Sall selbst – er hegt Ambitionen auf den Sitz des nächsten UN-Generalsekretärs und ist um internationale Reputation bemüht – dem Richterspruch.

Das Gericht ordnete daraufhin einen Wahltermin am 31. März an, doch als die Exekutive bereits Dekrete für eine Wahl eine Woche früher verabschiedet hatte, akzeptierten die Richter dies. Die senegalesischen Christen hätten sich durch eine Wahl am Ostersonntag benachteiligt sehen können.
Das westafrikanische Land wird nun wohl auf Distanz zur früheren Kolonialmacht Frankreich gehen. Aber vor ­allem in sozioökonomischer Hinsicht dürfte ein enormer Erwartungsdruck auf Faye lasten, der in vieler Augen einen Wechsel verkörpert.