Im deutschen Fußball der Frauen wird über Reformen gestritten

Reform – aber wie?

Der deutsche Frauenfußball soll professioneller werden, Reformen sind dringend nötig – darin sind sich die meisten Beteiligten einig. Doch über das Wie wird gestritten. Der DFB will bald Reformpläne vorlegen, andere haben das bereits getan.

Als der DFB im Dezember die Verantwortlichen aus den Clubs der Frauen-Bundesliga digital zusammentrommelte, um einen neuen Wachstums- und Professionalisierungsplan vorzustellen, liefen sich die Fans der Männer-Bundesliga gerade in Sachen Protest gegen mögliche Investor:in­nen im deutschen Fußball warm. Womöglich hätte man also voraussehen können, dass die Vereinsverantwortlichen keine Purzelbäume schlagen würden vor Begeisterung darüber, dass der DFB-Plan den Einstieg eines Investors auch bei den Frauen anregt.

Offiziell bestätigen möchte der Verband dieses Vorhaben nicht, ebenso wenig wie Zahlen aus dem Papier, die längst kursieren. Zu denen gehört auch ein geplantes Mindestgehalt für Spielerinnen, die bislang von Mindestlohn vielfach weit entfernt sind. Zunächst solle der vertrauliche Abstimmungsprozess mit den Vereinen und Interessenvertreter:innen abgeschlossen werden, danach wolle man die Öffentlichkeit »sehr detailliert informieren«, heißt es vom DFB.

Die wichtigste Frage bei weiteren Reformen lautet womöglich nicht: wie, sondern: durch wen? Längst trauen nicht mehr alle Protagonist:innen im Fußball der Frauen dem DFB diese Aufgabe zu.

Es kriselt im deutschen Fußball der Frauen – und das nicht erst, seit die DFB-Elf bei der WM im vergangenen Sommer erstmals ein Vorrunden-Aus hinnehmen musste. Immerhin, der vorschnell prognostizierte Einbruch des Interesses an der Bundesliga infolge der WM-Pleite ist ausgeblieben. Die Zuschauer:innen­zahlen entwickeln sich sowohl im Gesamtschnitt weiter positiv, als auch hinsichtlich der Auslastung bei »Highlight-Spielen«, wenn die Frauen ausnahmsweise in die großen Stadien der Männer dürfen.

Sportlich folgte jedoch die nächste nationale Schlappe, in der Women’s Champions League schaffte es keiner der deutschen Vereine über die Gruppenphase hinaus. Auch das hatte es zuvor nie gegeben: Seitdem es internationale Clubwettbewerbe gibt, war immer mindestens ein deutscher Verein mit den Frauen bis ins Viertelfinale dabei. Die Ballung dieser Misserfolge ist kein Zufall, sondern wirft ein weiteres Schlaglicht auf die Notwendigkeit, den Fußball der Frauen hierzulande zu reformieren.

Anpassungen im Zulassungsverfahren für die Bundesliga

Dafür wurden bereits Anpassungen im Zulassungsverfahren für die Bundesliga beschlossen. Unter anderem müssen Cheftrainer:innen ab der Saison 2024/25 die höchste Lizenz innehaben. Weitere Anpassungen, wie ein:e Vollzeit-Physiot­herapeut:in sowie die Benennung von Video-analyst:innen, Sportpsycholog:innen und Fanbeauftragten, gehören dazu. In vielen Bereichen sind Übergangsphasen geplant, weil klar ist, dass die Vereine Zeit für die Umsetzung brauchen.

Die wichtigste Frage bei weiteren Reformen lautet womöglich nicht: wie, sondern: durch wen? Längst trauen nicht mehr alle Protagonist:innen im Fußball der Frauen dem DFB diese Aufgabe zu, sehen die Verbandsstrukturen eher als hinderlich denn förderlich. Nicht zum ersten Mal wird offen auch über eine Ausgliederung aus dem Verband nachgedacht.

Beim DFB selbst ist man nicht begeistert über derlei Gedankenspiele und verweist auf den Plan zur Professionalisierung, an dem ein Projektteam seit einem Jahr arbeite. Es gehe darum, Bereiche zu identifizieren, in die investiert werden solle, um das »große Potential des Frauenfußballs voll auszuschöpfen und international konkurrenzfähig« zu bleiben.

Klingt gut, geht einigen aber nicht schnell genug. Im Januar verabschiedete sich Tobias Trittel, Koordinator Sport für den Frauenfußball des VfL Wolfsburg, aus dem Amt als Vorsitzender des Ausschusses Frauen-Bundesliga (AFBL). Vielsagend heißt es in der Begründung: »Leider hat sich in der jüngeren Vergangenheit deutlich gezeigt, dass sich meine persönlichen Einschätzungen im Hinblick auf die notwendigen Entwicklungsschritte für die Frauen-Bundesliga sowie deren Geschwindigkeit deutlich von der Mehrheit der anderen Ligavertreter unterscheiden.« Angesichts der Tatsache, dass das Projektteam den AFBL über sämtliche Entwicklungen auf dem Stand gehalten hat, kein gutes Zeichen.

Die Aufstockung der Liga von 12 auf 16 Vereine steht an erster Stelle

Während der DFB noch beratschlagt, liegt neben dem eigenen bereits ein externer Plan vor. Katja Kraus von der Initiative »Fußball kann mehr« (FKM), die sich für Geschlechtergerechtigkeit und Diversität im Fußball einsetzt, hat zusammen mit Axel Hellmann, Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt und Präsidiumsmitglied bei der DFL, ein Papier des FKM vorgelegt, das unter dem Motto »From charity to business« Reformideen für den Fußball der Frauen entwickelt.

Kraus, einst Nationaltorhüterin, später Vorstandsmitglied beim HSV, bringt mit FKM seit geraumer Zeit Bewegung in die Thematik Frauen in sportlicher Verantwortung und Führung. Mit Hellmann, Beiratsmitglied bei FKM und mit den Eintracht-Frauen auf Erfolgskurs, hat die Initiative Pläne entworfen, deren Stärke es ist, dass die unterschiedlichen Sichtweisen – von Vereinsfunktionär über ehemalige Spieler:innen, Fan-Aktivist:innen, Berater:innen und Journalist:innen – darin schon zusammengeflossen sind. Sprich, nicht alle bei FKM stehen hinter jedem Punkt der Diskussionsgrundlage, tragen sie aber in ihrer Gesamtheit. Eine Fähigkeit zum Konsens, die bei Vertreter:innen von Liga und DFB bislang nicht erreicht ist.

Im FKM-Papier ist der Einstieg eines Liga-Investors ab der Saison 2025/26 ausgemachte Sache. Die Pläne zur Weiterentwicklung sind unterteilt in regulatorisch, infrastrukturell, kommerziell und medial. Bei den regulatorischen steht die Aufstockung der Liga von 12 auf 16 Vereinen an erster Stelle, wie das bereits in Spanien der Fall ist. Ein Thema, das auch der DFB bearbeitet, allerdings denkt man dort über eine Aufstockung in zwei Schritten von 12 auf 14 auf 16 bis 2031/32 nach.

Salary Caps und Financial Fair Plays

Das Papier sieht außerdem vor, die Förderung des Fußballs der Frauen intensiver in den Anforderungen der »Männervereine« für eine Erstligalizenz zu verankern. Formuliert sind auch Maßnahmen der Regulierung, darunter die Einführung eines Salary Caps und Financial Fair Plays. In Sachen Infrastruktur sieht das Papier Mindeststandards für die Clubs vor, eine beschleunigte Umsetzung der Förder- und Leistungszentren für Mädchen und Frauen sowie den Aufbau von Scouting-Strukturen.

Diese »Förder- und Leistungszentren weiblich« sind mit fünf Clubs Anfang Februar in eine Pilotphase bis Mai gestartet. Mit ihnen verbinden sich Hoffnungen und Sorge: Während außer Frage steht, dass Mädchen von Anfang an besser betreut und ausgebildet werden müssen, gibt es auch mahnende Stimmen. Die knüpfen an bestehende Kritik an Nachwuchsleistungszentren für Jungs an, welche neben der Chancen, die sie bieten, junge Menschen früh aus familiären Umfeldern holen und rein auf Leistungssport ausrichten.

Wettbewerbsfähigkeit mit dem Ausland ist das eine, die Nähe zur Basis das andere. Davon ist bislang wenig die Rede. Dabei könnte man in diesem Bereich aus Fehlern im Männerfußball lernen – und nicht nur da.

Überhaupt finden sich im Papier ebenso wie in bekannten Überlegungen aus den Plänen des DFB etliche Anlehnungen an den Fußball der Männer. Dabei war immer die Rede davon, den Fußball der Frauen in seiner Einzigartigkeit zu bewahren, auf die Besonderheiten der Fanstrukturen einzugehen und die Alleinstellungsmerkmale zu stärken, statt Gleichmacherei zu betreiben. Wettbewerbsfähigkeit mit dem Ausland ist das eine, die Nähe zur Basis das andere. Davon ist bislang wenig die Rede. Dabei könnte man in diesem Bereich aus Fehlern im Männerfußball lernen – und nicht nur da.

Der DFB betreibt nun Überzeugungsarbeit und bespricht seine Pläne mit Verantwortlichen der Vereine. Die Frage, woher dringend benötigtes Geld kommen soll, wenn nicht von externen Geldgebern, bleibt noch ungeklärt. In England gehen Verantwortliche gerade einen anderen Weg: Dort haben die Vereine der Premier League zugestimmt, dem Fußball der Frauen ein zinsloses Darlehen über 20 Millionen Pfund (25,2 Mio. Euro) zu gewähren. Das muss erst zurückgezahlt werden, wenn jährliche Einnahmen von 100 Millionen Pfund erreicht werden. Es geht an New Co, die neue Vermarktungsgesellschaft der oberen zwei Ligen im Fußball der Frauen, Women’s Super League (WSL) und Women’s Championship.

Auch dazu, ob etwas Ähnliches für Deutschland denkbar ist, wollte man sich beim DFB mit Hinweis aufs verabredete vertrauliche Vorgehen mit Vereinsvertreter:innen nicht äußern. Der Verband muss sich allerdings neben einigen anderem die Frage stellen lassen, wie das Verhältnis zu manchen Clubverantwortlichen so abkühlen konnte, dass mehrere von ihnen sich an diese Vertraulichkeit nicht gebunden fühlen. Es wäre wichtig, dass im Fußball der Frauen endlich alle an einem Strang ziehen. Womöglich nutzt Transparenz da mehr als Geheimniskrämerei.