Die erstaunliche Geschichte des Verbrennungszeitalters in fiktionalen Texten

Baby, it’s cold outside

Susanne Stephan untersucht in ihrer Studie »Der Held und seine Heizung« die energetischen Diskurse in fiktionalen Texten der europäischen und amerikanischen Literatur. Von Mary Shelley und Jane Austen über Henry Thoreau und J. K. Rowling bis zu Greta Thunberg gibt es in dem Buch erstaunliche Informationen und hübsche Anekdoten.
Buchkritik Von

Die Überschrift »Der Held und seine Heizung« lässt an Robert Habeck und seinen Einsatz für die Wärmepumpe denken, betitelt aber eine Studie über Brennstoffe in der Literatur. Susanne Stephan untersucht darin die energetischen Diskurse in fiktionalen Texten der europäischen und amerikanischen Literatur, etwa bei Mary Shelley, Jane Austen, Herman Melville, Rainer Maria Rilke und Upton Sinclair.

Von der Magie des prasselnden Feuers zehrt der Schauerroman des viktorianischen Zeitalters.

Man erfährt, dass der Lebensentwurf von Novalis wesentlich von einem Braunkohledeputat abhing, das ihm sein Auskommen sicherte. Sein Leben fällt in die Zeit der »energetischen Wende«, als die Kohle das Holz als Energiestoff abzulösen begann.

Dass damit das Industriezeitalter eingeläutet war, ist bekannt; weniger, dass damit in den Wohnstuben eine Entfremdung von der Urszene des Feuermachens einsetzte, die viele Zeitgenossen verunsicherte, wovon in Texten Henry Thoreaus und Nathaniel Hawthornes die Rede ist.

Von der Magie des prasselnden Feuers zehrt der Schauerroman des viktorianischen Zeitalters. Der Kamin ist Requisit eines behaglichen Inte­rieurs sowie Symbol für das Unbewusste, Fremde und Andere. Durch den Kamin dringen seltsame Gestalten ins Haus.

J. K. Rowling schlägt in »Harry Potter« aus diesem Motiv erzählerische Funken. Wie einst das Feuermachen musste das Heizen mit Kohle erlernt werden.

Der Protagonist in Rainer Maria Rilkes »Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge« verzweifelt am Befeuern des eisernen Zimmerofens in seiner Pariser Unterkunft und damit an Großstadt und Moderne selbst.

Außerdem informiert die Studie über die aufstrebende Disziplin Energy Humanities, die fragt, wie bestimmte Energieformen Kultur und Gesellschaft prägen. Hübsche Anekdoten gibt es auch, etwa die vom Traum des schwedischen Chemikers und Nobelpreisträgers Svante Arrhenius – ein entfernter Vorfahre von Greta Thunberg –, dass die durch Kohleverbrennung erzeugte Erderhitzung das kalte Schweden für immer verwandeln würde: in ein mediterranes Paradies.


Buchcover

Susanne Stephan: Der Held und seine Heizung. Matthes und Seitz, Berlin 2023, 457 Seiten, 32 Euro