Was Israelkritiker schon immer mal sagen wollten und sich bisher nicht getraut haben

Die Büchse der Israelkritiker

Nun sehen auch diejenigen, die in den vergangenen Jahren darauf achteten, nicht mit antisemitischen Äußerungen aufzufallen, ihre Chance gekommen, endlich das zu sagen, was sie so lange sagen wollten, aber sich nicht trauten. Und jetzt bricht es mit einer Wucht aus ihnen heraus.
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Wenn man sich anschaut, was nicht nur bei den antiisraelischen Demos los ist, sondern auch bei Twitter, Blue Sky, Mastodon und dem rest­lichen Social-Media-Gedöns, könnte man den Verdacht haben, dass der 7. Oktober für weit mehr Leute ein Glückstag war als nur für die, die sich öffentlich hinstellten und den Hamas-­Terror unter anderem als Freiheitskampf bejubelten.

Denn nun sehen offenkundig auch diejenigen, die in den vergangenen Jahren darauf achteten, nicht mit antisemitischen Äußerungen aufzufallen, ihre Chance gekommen, endlich das zu sagen, was sie so lange sagen wollten, aber sich nicht trauten. Und jetzt bricht es also mit einer Wucht aus ihnen heraus, was bemerkenswerte Rückschlüsse darüber erlauben würde, wie viel Kraft es sie in der ganzen Zeit kostete, sich zurückzuhalten mit: Israelische Konservative sind samt und sonders Faschisten, »From the river to the sea« ist bloß ein harmloses Volkslied und wer was anderes sagt, ist Nazi, manche israelischen Linken werden im ­heutigen Deutschland mindestens genauso unterdrückt wie Juden und Jüdinnen ab 1933, Gaza ist ein Konzentrationslager, die deutsche Politik kuscht vor der »jüdischen Lobby«, und so weiter und so fort und ach ja, Antideutsche sind üb­rigens Hitler.

Die Begeisterung, mit der derzeit das gesagt wird, was diese Leute sich selber vor dem 7. Oktober zu sagen verboten hatten, spricht nicht dafür, dass in absehbarer Zukunft irgendwann freiwillig wieder die Klappe gehalten wird.

Das ist in den gar nicht so wenigen Einzelfällen, von denen man so etwas immer schon vermutet hatte, durchaus interessant zu beobachten, wirft in der Masse aber die Frage auf, wie das alles wieder eingefangen werden kann. Eingefangen, um anschließend wieder in die Büchse der Pandora zurückgestopft zu werden, um es mal so zu auszudrücken.

Die Begeisterung, mit der derzeit das gesagt wird, was diese Leute sich selber vor dem 7. Oktober zu sagen verboten hatten, spricht jedenfalls nicht dafür, dass in absehbarer Zukunft irgendwann freiwillig wieder die Klappe gehalten wird. Zumal sie nun jeden Tag ein Stückchen weiter gehen und sich, im irrigen Gefühl, die Mehrheitsmeinung zu ­vertreten, weil ihre Follower ihnen zujubeln, immer noch mehr zu sagen trauen. Bis der Punkt erreicht ist, an dem nichts mehr eingefangen werden kann.