Die Kolumnistin vermisst für einen kurzen Moment das beschauliche Leben

Liebäugeln mit der Idylle

Deutsche Rapper könnten vom Beef auf dem Marktplatz der Kleinstadt noch eine Menge lernen.
Kolumne Von

Nein, Israel ist kein Kolonialstaat. Nein, er begeht allein schon per ­definitionem keinen Genozid. Nein, Gaza ist kein Paradies für Menschen mit alternativen Lebensentwürfen. Nein, das da ist nicht der Kommunismus.

Und ja, das und noch vieles anderes müsste eigentlich immer und immer wieder und dann noch einmal von vorn wiederholt werden, bis es wirklich alle verstanden haben. Wofür diese Kolumne eigentlich auch kein schlechter Platz ist, aber es gibt auch in diesem Fall begrenzte Möglichkeiten.

Denn Menschen sehen bedauerlicherweise nicht gern ein, dass sie Blödsinn reden, und halten entsprechend hartnäckig an Unfugsbehauptungen fest. Dazu kommen diejenigen, die Israel und Juden nicht einfach so aus Versehen hassen, sondern weil sie es wollen, aber, natürlich, keinesfalls Antisemiten genannt werden wollen, sondern, siehe Unfugsbehauptungen, schwerste argumentative Verrenkungen unternehmen, um zu begründen, dass sie ja gar nicht antisemitisch seien. Und überdies praktisch von Juden und Israel zum Hass auf Juden und Israel gezwungen werden. Oder so.

Die Beteiligten zu kennen, ist nicht erforderlich, um sofort an die Kleinstadt erinnert zu werden.

Womit wir zu den tiefroten Linien kommen, die dieser Tage regelmäßig überschritten werden; und dann sitzt man da und sehnt sich fast nach dem idyllischen Leben in der bescheuerten Kleinstadt zurück. Wogegen es aber ein prima Mittel gibt, nämlich auf Youtube Rappern ­sowie deren Fans und Umfeld dabei zuzuschauen, wie sie sich gegen­seitig nicht leiden können.

Das geht ungefähr so: Ein in aller Regel nicht mehr ganz junger Mann sitzt da und erklärt empört, dass laut Dingens der Dangens dies und jenes über ihn oder einen Freund gesagt habe, und das sei wirklich das Allerletzte, denn jeder wisse ja, dass der Dangens ­selber dies und jenes getan oder gesagt oder beides habe.

Diese überaus ausführlichen Schilderungen dauern selbst im günstigsten Fall nicht unter einer halben Stunde. Die Beteiligten zu kennen, ist nicht erforderlich, um sofort an die Kleinstadt erinnert zu werden. Wo sich zweimal die Woche auf dem Markt getroffen und derart ehrverletzend getratscht wurde, dass der deutsche Rap davon noch eine Menge lernen könnte. Und damit ist dann auch schon wieder Schluss mit Idyllesehnsucht.