Safari im äußersten Westen

Wiedervereinigung: Rüben und Jauche

Die Kolumnistin erinnert sich, dass es tief im Westen bereits eigene Problemregionen gab, die »Deutsche Einheit« also schon deswegen gar nicht gebraucht wurde.
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Wenn man aus dem äußersten Westen kommt – nein, so geht das natürlich nicht, denn der wirklich noch ein paar Kilometer westlicher gelegene äußerste Westen ist eine äußerst trostlose Gegend voller Runkelrüben, Jauche und großer Heimatliebe, in der die einzige nennenswerte Attraktion jahrelang eine sogenannte Löwensafari war.

Die noch trostloser als Runkelrüben und Jauche war, streng genommen, denn diese Löwensafari bestand aus offenkundig nicht länger bejauchungswürdigem Nutzland mit einem Zaun drumherum, Imbiss mit Fritten und Wurst sowie von irgendjemandem zweifellos sehr günstig erstandenen Löwinnen und Löwen sowie ein paar Nilpferdchen und allerlei anderen Tieren. Staunende Grenzländer wurden dort dann in mit Zebrastreifen bemalten Bussen (vermutlich gegen erstaunlich hohe Eintrittsgebühren) herumgefahren, um sich die schwer gelangweilt auf dem ehemaligen Rübenacker herumliegenden Löwen anzugucken.

Die Gegend bestach durch Lustbarkeiten wie lange Verkehrsstaus durch Rüben- und Jauchetransporter sowie große Heimatliebe, die sich vor allem in ausdauerndem CDU-Wählen ausdrückte.

Also außer sie wollten im eigenen Auto auf große Safari gehen, was natürlich gewisse Risiken beinhaltete, aber sehr groß dürften sie nicht gewesen sein, die Risiken, denn soweit man weiß, wurde niemals irgendwer von Löwen gefressen. Irgendwann war dann aber Schluss mit Safari und die Gegend bestach wieder bloß durch die oben genannten Lustbarkeiten wie lange Verkehrsstaus durch Rüben- und Jauchetransporter sowie große Heimatliebe, die sich vor allem in ausdauerndem CDU-Wählen ausdrückte. Und in Katholizismus, was auch nicht schön war.

Natürlich gibt es das alles dort auch jetzt noch, und man hat sogar für eine neue Attraktion gesorgt, nämlich den »westlichsten Punkt Deutschland« (Parkplätze sind ausgeschildert), der hübsch neben einer Bushaltestelle gelegen im Wesentlichen aus einer roten Infotafel und etwas Gedöns besteht. In neuerer Zeit scheint ein »Meditationspfad« hinzugekommen zu sein, den man vertieft in Gedanken über dies, das und die Rübenpreise entlangwandern kann.

Mit anderen Worten: Wir im Westen hatten ja schon eigene Problemregionen, hätten diese Wiedervereinigung also gar nicht gebraucht. Und was noch gegen sie spricht: freitags früh aufstehen, um noch im Morgengrauen diese Kolumne zu schreiben, statt es gemütlich am Montag zu tun, weil der 3. Oktober alle Deadlines durcheinanderbringt.