Über Jenny Hvals Roman »Gott hassen«

Der Hass und die Mädchen

Jenny Hvals Roman »Gott hassen« führt in die norwegische Metal-Szene. Dort ereilt die jugendliche Erzählerin, unschwer als Alter Ego der Autorin zu erkennen, der Fluch der späten Geburt.
Buchkritik Von

Die jugendliche Erzählerin im Buch, unschwer als Alter Ego der norwegischen Autorin und Musikerin Jenny Hval zu erkennen, leidet unter dem Horror des südnorwegischen bible belt der neunziger Jahre. Pietistische und evangelikale Sekten treiben ihr Unwesen, entsprechend streng ist die soziale Kontrolle. Zäune, Häuser, alles ist hier weiß; weiß wie die Unschuld, die Reinheit, die Engelsgewänder und die in Norwegen bevorzugten Speisen. Was sie vor allem hasst, sind die erbarmungslosen Vorschriften, die ihr die Luft zum Atmen nehmen. Und weil alles so blendend weiß ist, sucht sie das Schwarze, Teuflische, Hexenhafte und landet in der Black-Metal-Szene.

Hier ereilt sie der Fluch der späten Geburt. Die Szene ist längst kommerzialisiert, Teile sind offen rechtsextremistisch. Schon seit Jahren werden keine uralten Holzkirchen mehr angezündet und Varg Vikernes sitzt wegen Mordes im Knast. Was geblieben ist, ist der Frauenhass, der sich kaum von dem der Sekten ihrer Kindheit unterscheidet.

Immer wieder zerlegt die Autorin norwegische Wörter und versucht, ihnen neue Bedeutungen zu entlocken.

Die 1980 in Oslo geborene Künstlerin erkundet die Wurzeln und Einflüsse einer extremen Subkultur und sucht mit den Mitteln der Kunst nach Auswegen aus der Gewalt. »Gott hassen« ist eine wüste Mischung aus Autofiktion, Essay und Popgeschichte, die immer originell, manchmal unappetitlich, aber nie langweilig ist. Immer wieder zerlegt die Autorin norwegische Wörter und versucht, ihnen neue Bedeutungen zu entlocken.

Da sie sich von Etymologie und Lautgeschichte nicht einschränken lässt, kommt sie zu überraschenden Ergebnissen, die Lust machen, Ähnliches mit deutschen Wörtern zu versuchen. Sie ersinnt irrwitzige Filmplots, die man zu gern auf der Leinwand sähe. Es ist der angestaute »Hass der Mädchen über Jahrhunderte«, der sich hier Bahn bricht und einmal quer durch die Kulturgeschichte Norwegens pflügt.


Buchcover

Jenny Hval: Gott hassen. Aus dem Norwegischen von Clara Sondermann. März-Verlag, Berlin 2023, 240 Seiten, 22 Euro