Vinyl, Otto, Alma Mahler und andere Oldies feiern verspätete Comebacks

Hat alles nichts mit gutem Geschmack zu tun

Die Summens Von

»Hey Motherfuckers!« So begrüßt Roman Roy in »Succession«, dem Denver-Clan für die Netflix-Generation, seine gestörten Geschwister. Sie sind allesamt Opfer ihres Vaters, eines grandiosen Narzissten und Medienmoguls, der als eine Mischung aus Rupert Murdoch, Robert Maxwell und Donald Trump auftritt. Auch wir haben uns endlich durch die vierte und letzte Staffel einer der faszinierendsten Serien der vergangenen Jahre gebingt, die dreierlei sehr gut auf den Punkt bringt: die Macht des guten alten linearen Fernsehens, die schockierende Emphathielosigkeit von Superreichen und die Zähigkeit des Patriarchats.

Unter dem litt in Wien um die vorvorige Jahrhundertwende auch schon Alma Mahler, wie der demnächst anlaufende Kinofilm »Alma und Oskar« zeigt. Die hochbegabte Komponistengattin konnte ihr eigenes Talent kaum ausleben. Nach dem Tod ihres Mannes begann sie eine Affäre mit dem Maler Oskar Kokoschka. »Kunst hat nichts mit gutem Geschmack zu tun«, verteidigt Alma einmal Oskars Gemälde vor Erzherzog Franz Ferdinand. Leider jagt aber in Dieter Berners Film eine »geschmackvoll« inszenierte Sexszene die nächste, das aufregende Schaffen der unkonventionellen Künstler ist nur Nebensache – und wieder einmal kommt Alma Mahlers Talent unter männlicher Regie nicht vollends zur Geltung.

Die Zeile »Ich finde Wein lecker, ich bin kein Kenner, doch ich bin ein Feinschmecker« funktioniert sicher gut am nächsten Späti.

Und sonst so? Pumpen plötzlich alle den »Friesenjung« von Ski Aggu. Der hochgepitschte Remix eines alten Samples von Otto – »Bin ein Friesenjung/Bin ein kleiner Friesenjung/Und ich wohne hinter’m Deich« – zur Melodie von Stings »Eng­lishman in New York« ist Rap gewordener Wodka-Red-Bull und die Zeile »Ich finde Wein lecker, ich bin kein Kenner, doch ich bin ein Feinschmecker« funktioniert sicher gut am nächsten Späti.

Echten Feinschmeckern raten wir dieser Tage, gleich dorthin zu reisen, wo der Pfeffer wächst. Das in Los Angeles ansässige Label Naya Beat hat jüngst die tolle Compilation »Awaaz Series 1« herausgebracht, die Achtziger-Scores von berühmten Bollywood-Komponisten wie R. D. Burman oder Bappi Lahiri enthält. Ein unfassbarer Spielwitz und ungeahnte psychedelische Wendungen finden sich in diesen Tracks, wie ihn unser Friesenjung niemals erreichen wird. »You’re my boy«, würde Logan Roy zu der Compilation sagen.