Ende Mai wurden weitere mutmaßliche Reichsbürger festgenommen

Wo die Verschwörungsszene floriert

Erneut kam es zu Razzien bei mutmaßlichen Reichsbürgern. Drei Beschuldigte wurden in Baden-Württemberg und in Niedersachsen festgenommen. Baden-Württemberg fällt in diesem Zusammenhang immer wieder auf.

Ende Mai wurden drei weitere mutmaßliche Angehörige der Reichsbürgerszene um Heinrich XIII. Prinz Reuß in Baden-Württemberg und Niedersachsen festgenommen. Die Beschuldigten stehen unter dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Reuß wurde bereits im Dezember verhaftet, weil er mit seiner Gruppierung einen Staatsstreich geplant habe.

Eine der Festgenommenen ist Johanna F.-J. Die Baden-Württembergerin ist Mitglied des Überlinger Ortsv­erbands der Partei »Die Basis«, für die sie bei der Bundestagswahl 2021 erfolglos als Direktkandidatin antrat. Laut Bundesanwaltschaft besteht der dringende Verdacht, sie sei seit Mai 2022 in der Vereinigung um Reuß aktiv gewesen, indem sie an Treffen mit Führungsmitgliedern mitgewirkt habe. Insbesondere habe sie an einem Treffen des offiziellen Zentrums der Or­ganisation, dem »Rat«, teilgenommen. Der »Rat« sollte gemäß den Plänen der Gruppe, wenn erst einmal die bestehende Staatsordnung in Deutschland beseitigt wäre, »mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandeln«, so die Bundesanwaltschaft. Spätestens im November 2022 habe F.-J. Kontakt zu einem Generalkonsul der Russischen Föderation gesucht und diesen daraufhin zwei­mal getroffen. Die Gespräche mit dem russischen Generalkonsul sollten dazu dienen, Unterstützung für das Handeln der Vereinigung zu erhalten.

Auf ihrem Youtube-Kanal teilt F.-J. neben französischen Chansons Vorträge des Verschwörungstheoretikers ­Daniele Ganser, auf der Plattform Linkedin wiederum Videos des Mediziners und Coronaleugners Sucharit Bhakdi.

In einer Pressemitteilung sprach ihr der baden-württembergische Landesvorstand ihrer Partei seine Unterstützung aus und kritisierte die mediale Berichterstattung. Solange sie nicht schuldig gesprochen worden sei, bestehe die Unschuldsvermutung. In der Berichterstattung hingegen finde eine Vorverurteilung statt. Die persönlichen Erfahrungen mit F.-J. würden die Vermutung, sie teile extremistische Ideen, nicht bestätigen, so der Landesverband. Auch der Überlinger Ortsverband hält zu ihr. »Wir distanzieren uns davon, dass die basisdemokratische Partei ›Die Basis‹ irgendetwas mit ›terroristischent oder sonstigen fragwürdigen Vereinigungen zu tun haben soll«, teilte er dem Portal Schwäbische.de in einer Stellungnahme mit. Dies gelte auch für die Mitglieder, »die ehrenwerte Mitbürger sind«.

Derzeit rechnen die Ordnungs­behörden in Baden-Württemberg 3.800 Personen der Reichsbürgers­zene zu. Bundesweit seien es 23.000, so der Verfassungsschutz.

Ein weiterer Beschuldigter kommt ebenfalls aus Baden-Württemberg. In Horb am Neckar im Landkreis Freudenstadt nahm die Polizei Steffen W. fest. Gegen ihn besteht laut Bundesanwaltschaft der dringende Verdacht, »sich spätestens am 9. Juli 2022 der Vereinigung angeschlossen und eine führende Rolle in einer von dem Mitbeschuldigten Ralf S. geleiteten Heimatschutzkompanie eingenommen zu haben«. Seine Aufgabe sei es gewesen, »Personal für seinen Zuständigkeitsbereich zu gewinnen und dieses militärisch auszubilden«. Zusammen mit den Mitbeschuldigten Ralf S. und Matthias H. habe er »die Übernahme einer ehemaligen Kaserne für die künftige Unterbringung der Heimatschutzkompanie« geplant und »Bedarfslisten für Waffen, Munition und sonstige Ausrüstungsgegenstände« erstellt. Zudem sei W. für die Beschaffung entsprechender Gegenstände zuständig gewesen.

Wie Steffen W. kommt auch Ralf S. aus Horb. Dem Schwarzwälder Boten zufolge nahmen beide an Montagsspaziergängen der »Querdenken«-Bewegung teil. Ralf S. und Matthias H. wurden bereits bei der ersten Razzia im Dezember verhaftet und sitzen seitdem in Untersuchungshaft.

Dem dritten Verdächtigen, Hans-Joachim H. aus dem niedersächsischen Harburg, wirft die Bundesanwaltschaft vor, er habe der Gruppe um Heinrich XIII. Reuß 140 000 Euro zukommen lassen. Daher wird er dringend verdächtigt, sich von Beginn an für die Vereinigung betätigt zu haben. Außerdem sei er bei der Rekrutierung neuer Mitglieder und Sponsoren beteiligt gewesen.

Baden-Württemberg landet im Zusammenhang mit der Reichsbürgerszene immer wieder in den Schlagzeilen. Das liege unter anderem daran, dass in der Region traditionell esoterische und alternative Weltanschauungen wie Anthroposophie sehr stark verbreitet seien, so der Beauftragte gegen Antisemitismus, Michael Blume, in der »Tagesschau«. Hinzu komme, dass die südlichen Bundesländer weit weg von politischen Zentren liegen. »In Regionen, wo sich Menschen zwischen den Bergen selber organisieren, entstehen Ehrenamt, Zivilgesellschaft, Parlamente. Aber leider auch ein Hang zu Verschwörungsmythen und Esoterik«, sagte Blume. Das beobachte man in Baden-Württemberg, aber auch in Bayern, Österreich oder der Schweiz.

In Baden-Württemberg gebe es zahlreiche florierende Verlage, die ihren Umsatz mit Verschwörungstheorien machen, so Blume weiter. »Es ist eben auch deswegen in Süddeutschland so stark, weil man hier damit so richtig Geld machen kann.«. Derzeit rechnen die Ordnungsbehörden in dem Bundesland 3.800 Personen der Reichsbürgerszene zu. Bundesweit seien es 23.000, so der Verfassungsschutz.

Aus Sicht des Antisemitismusbeauftragten begünstige der Wohlstand in dem südwestlichen Bundesland oftmals rechtsextreme Ansichten. »Wer ein Haus gebaut hat, hat auch etwas zu verlieren«, beschrieb Blume den wachsenden Sozialchauvinismus. Anhänger der Ideologie der Reichsbürger seien keineswegs arm und ungebildet. Im Gegenteil handle es sich zumeist um Menschen, die ihren materiellen Wohlstand in Gefahr sehen.