In Pakistan protestieren ­Anhänger Imran Khans gegen seine drohende ­Verhaftung

Fast geschenkt ist noch zu teuer

Pakistans ehemaliger Premierminister wirft zwei Polizeichefs eine Intrige zu seiner Ermordung vor.

Am 23. März wurde landesweit der Pakistan Day gefeiert – der Nationalfeiertag erinnert an das Inkrafttreten der ersten Verfassung des Landes von 1956. Derweil hat sich der Konflikt um den früheren Premierminister Imran Khan verschärft, der im April 2022 per Misstrauensvotum abgesetzt worden war. Seither trommelt der Entmachtete lautstark dafür, die regulär spätestens im Oktober anstehenden Wahlen vorzuziehen, und sieht sich juristischen Anschuldigungen ausgesetzt, die er als politisch motivierte Hexenjagd einstuft. Obwohl Khan noch immer an der Schussverletzung am Bein vom November laboriert, ist die politische Streitlust des 70jährigen unvermindert.

Über 100 Anklagen wurden mittlerweile gegen Khan erhoben. Involviert sind Gerichte in unterschiedlichen Städten, die jeweils ihre eigenen Verfahren eingeleitet haben. Immer wieder hat der Beschuldigte dabei auch Vorladungen erhalten, zu so gut wie keinem der Termine erschien er persönlich. Imran Khan sei gesundheitlich noch zu angeschlagen, führten seine Anwälte bei den Anträgen auf Fristverlängerung ins Feld. Auch von Sicherheitsbedenken ist die Rede – der ehemalige Premierminister selbst und die Führungsriege seiner islamisch-populistischen Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), der größten Oppositionspartei, fürchten nach dem fehlgeschlagenen Attentat einen weiteren Mordversuch.

Den Gerichten geht die Geduld aus. Ein Richter wollte sich das fortgesetzte Fernbleiben des Angeklagten nicht länger bieten lassen und ließ einen Haftbefehl ausstellen. Als die Polizei daraufhin Khan am 5. März in seiner Residenz in Lahore, der zweitgrößten Stadt des Landes, festnehmen wollte, sah sie sich einer aufgebrachten Menge von PTI-Anhängern gegenüber. Khan ließ sich vor den Beamten verleugnen, zeigte aber später bei einer Ansprache, dass er sehr wohl zu Hause war.

Derzeit am stärksten im Fokus steht das Verfahren im sogenannten Fall To­shakhana. Nach den Regeln der gleichnamigen Behörde müssen hochrangige Amtsträger die Geschenke deklarieren, die sie von ausländischen Staatsgästen erhalten. Diese gehen zunächst formell in regierungsamtliches Eigentum über, dürfen vom Beschenkten aber anschließend zu stark ermäßigtem Wert zurückgekauft werden. Imran Khan soll nicht nur Deklarationen zu spät und möglicherweise unvollständig abgegeben, sondern auch mehrere teure Armbanduhren zu einem Bruchteil ihres Werts erworben und anschließend für ein Vielfaches veräußert haben.

Über 100 Anklagen wurden mittlerweile in unterschiedlichen Städten gegen Khan erhoben, zu so gut wie keinem Vorladungstermin erschien er persönlich.

Der daraus von Khans Gegnern konstruierte Skandal verpuffte allerdings am 13. März, als die Behörde Toshakhana auf gerichtliche Anordnung alle Vorgänge der zurückliegenden zwei Jahrzehnte offenlegte. Die 466 Seiten umfassende Liste illustriert: Was immer sich Khan diesbezüglich zuschulden kommen ließ, er steht damit nicht allein. Vom ehemaligen Militärmachthaber und Präsidenten Pervez Musharraf angefangen bis zum heutigen Staatspräsidenten Arif Alvi und Khans Amtsnachfolger, Premierminister Shehbaz Sharif, tauchen dort die Namen aller hochrangigen Politiker von 2002 bis 2023 auf.

Geschenke bis 10 000 Rupien (derzeit circa 33 Euro) dürfen kostenfrei behalten werden, bis zur Grenze von 400 000 Rupien (rund 1 300 Euro) sind eigentlich 15 Prozent des Werts an die Staatskasse zu zahlen. Höherwertige Geschenke dürfen nur Staats- und Regierungschefs gegen die entsprechende Zahlung behalten – der ehemalige Präsident Asif Ali Zardari, derzeit noch Co-Vorsitzender der mitregierenden sozialdemokratischen Volkspartei (PPP), verfuhr so bei einer gepanzerten Limousine, ebenso der im Londoner Exil lebende frühere Premierminister Nawaz Sharif, älterer Bruder des derzeitigen Premierministers und Drahtzieher der islamisch-konservativen Regierungspartei Pakistanische Muslimliga-Nawaz (PML-N). In allzu vielen Fällen wurden nicht einmal die 15 Prozent entrichtet.

Am 18. März fuhr Khan tatsächlich vor dem Islamabad High Court (IHC) in der Hauptstadt Islamabad zu seiner mit Spannung erwarteten Anhörung vor. Das Gerichtsgebäude betrat er aber nicht, weil eine Schar von Tausenden seiner Anhänger sich dort versammelt hatten, die zum Teil Steine auf die Polizei warfen, die ihrerseits Tränengas einsetzte. Die Demonstranten umlagerten auch Khans Fahrzeug, das er deshalb nicht verlassen konnte. Der Richter notierte trotzdem sein Erscheinen zum Termin und hob den Haftbefehl gegen ihn auf.

Inzwischen muss sich Khan gegen Terrorismusanklagen wehren. Ihm wird die Aufstachelung seiner Parteimitglieder zur Last gelegt, von denen zuletzt über 60 wegen Vandalismus und Übergriffen auf Polizisten festgenommen wurden. In Khans Abwesenheit hatten die Ordnungskräfte auch sein Haus in Zaman Park durchsucht; Khan beklagt, die Beamten hätten dabei sein Haus »geplündert«.

Der Oppositionsführer legte am 23. März mit der Behauptung nach, die Polizeichefs von Islamabad und Lahore planten eine Intrige zu seiner Ermordung. Nach Khans Darstellung war es die Polizei, die die Situation am Gerichtsgebäude gewaltsam eskaliert habe – es sei wohl der Plan gewesen, für einen Zustand der Anarchie zu sorgen, um ihn dabei aus dem Weg zu räumen. Die PTI-Führung wandte sich auch scharf gegen eine von der Regionalregierung im Punjab eingesetzte Sonderkommission, welche die angeblichen Todesdrohungen gegen Imran Khan untersuchen soll. Schließlich werde die von einem hochrangigen Polizeibeamten geleitet, der in die Festnahmeversuche eingebunden war.

Justizminister Azam Nazeer Tarar (PML-N) rief zu einem Dialog zwischen Regierung und PTI auf. Am Montag gewährte das Gericht Khan die Verlängerung der Frist, in der der Haftbefehl gegen Kaution ausgesetzt ist, da die Gefahr bestehe, dass »seine politischen Gegner und Kontrahenten ihre ruchlosen Pläne und politischen Ambitionen weiterverfolgen könnten«, so der Wortlaut in Khans Antrag. Sein Anwalt sagte, Khan würde bei einer Verhaftung »irreparablen Schaden« erleiden.