Keine Frage der Ehre
Diese Begeisterung für das Ehrenamt finde ich irritierend, liegt der Idee doch ein positiver Bezug auf die Gesellschaft oder das Gemeinwohl zugrunde; außerdem riecht sie nach protestantischer Vergötzung der Arbeit als Selbstzweck.
Ohne Ehrenämtler:innen wäre die Arbeit in vielen linken Projekten freilich nicht zu stemmen. Institutionalisierung und staatliche Anerkennung schaffen nicht nur Gehälter für Mitarbeiter:innen und Auszubildende, sondern – wegen chronischer Unterfinanzierung – auch die Struktur für Ausbeutung durchs Ehrenamt.
Die Autonomen Frauenhäuser gingen in den Siebzigern unter heftigen Kontroversen dazu über, sich mit »Staatsknete« finanzieren zu lassen. Ähnlich verhielt es sich mit den Projekten der ostdeutschen Frauenbewegung, die 1989/1990 gegründet und wenige Jahre später institutionalisiert wurden, so dass sie ihr gegenkulturelles Potential kaum entfalten konnten. Dabei kannten Feministinnen in Ost und West den Zusammenhang von staatlicher und patriarchaler Gewalt und erahnten die Nachteile staatlicher Befriedung. Konsequent ist der Ansatz der Hamburger Autonomen Frauenhäuser, bis heute nicht mit Ehrenämtern zu arbeiten, sondern alle Tätigkeiten, die die Angestellten nicht stemmen können, mit Honorar zu vergüten. Frauen zusätzlich zur häuslichen Reproduktionsarbeit unbezahlte Arbeit abzuverlangen, weil sie den feministischen Sinn dieser Arbeit unterstützen, ist kritikwürdig.
Sicherlich ist die Hamburger Praxis nicht immer umsetzbar. Auch hat das Hantieren mit Ehrenämtern seine Vorteile: etwa wenig präsentable linke Lebensläufe aufzuhübschen oder Jobbewerbungen Geflüchteter mittels entsprechender Bescheinigungen zu unterstützen. Dank des Ehrenamtspasses der Stadt Leipzig gehe ich auch gern ermäßigt in die Sauna. Aber über solche funktionalen Vorteile hinaus mit Ehrenämtern zu arbeiten und zu argumentieren, finde ich keine gute Sache. Man übernimmt damit bürgerliche Sinnzusammenhänge und betriebswirtschaftliche Logiken, die der Absicht linker Projekte zuwiderlaufen.
Stattdessen plädiere ich für eine Auseinandersetzung mit dem Erbe der autonomen Bewegung, die sich durch möglichst unabhängige Organisationsstrukturen und gegenkulturelle Bezüge abgrenzte und auf Ämter und Ehren des Bestehenden pfiff. In diesem Sinn ist politische Arbeit – sei es organisatorische, theoretische oder Sorgearbeit – keine Ehre, sondern notwendige Mühe, die linke Gegenentwürfe eben kosten. Unentlohnte Arbeit ehrt nicht, sie ermüdet wie jede Arbeit, und das Einzige, was sie rechtfertigt, ist die faule Haut, auf die sich die Genossin danach hoffentlich legt.