Auszug aus dem Buch »Von Moskau nach Beirut«

Von Moskau nach Beirut

In seinem 1983 veröffentlichten Aufsatz »De Moscou à Beyrouth. Essai sur la désinformation« beschreibt der französische Historiker Léon Poliakov den gesellschaftlichen Wandel, der zu einer immer offeneren und aggressiveren Agitation gegen Israel geführt hat. Er zeigt, wie sich die voreingenommene Ablehnung des Judenstaats als neue Aus­drucksform des antijüdischen Ressentiments etabliert hat und in der Gleichsetzung Israels mit dem »Dritten Reich« mündet. Sein Augenmerk gilt dabei dem Antisemitismus »von links«, vor dem Jean-Paul Sartre bereits 1953 gewarnt hatte. Auszug aus dem Buch »Von Moskau nach Beirut. Essay über die Desinformation«, das jetzt erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt.
Imprint

Die sowjetische Propaganda (1918–1983)

In der Sowjetunion fanden sich die Juden ab 1918 im Zentrum des Bürgerkriegs wieder. Die Weiße Armee, ebenso wie die autonomen anti­bolschewistischen Banden, sahen in ihnen die Hauptschuldigen für die Revolution und massakrierten sie daher zu Zehntausenden. Sie trieben sie so in die Arme der neuen Macht, was gewisse Parallelen zu dem hat, was ein Vierteljahrhundert später im nazifizierten Europa geschehen sollte. So wurden die Juden meist unfreiwillig zu Unterstützern des kommunistischen Regimes. Für Lenin war wohlbemerkt der Antisemitismus ein Symbol für die Niedertracht des Bürgertums, weshalb dessen »Ausrottung« in den zwanziger Jahren zur Staatsangelegenheit wurde. Aufklärungskampagnen wechselten sich mit öffentlichen Prozessen ab, es war riskant, sich als Antisemit zu dekuvrieren, auch wenn Millionen von Russen der guten alten Zarenzeit mit der Leidenschaft entthronter Adliger nachtrauerten. Einerseits konnten die Juden zu dieser Zeit, wie andere ethnische Minderheiten auch, ihre russische oder jüdische Nationalität frei wählen und ihre jiddische Kultur ausleben. Andererseits waren sie, wie alle Sowjetbürger, einer antireligiösen Propaganda ausgesetzt. In ihrem Fall ging diese jedoch mit dem antizionistischen Kampf einher, der die Schaffung eines »autonomen jüdischen Gebiets« in Sibirien, im fernen Birobidschan, erleichtern sollte.

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