Die Kolumnistin fürchtet die Nosferatu-Spinne nicht, es gibt bedrohlichere invasive Arten

Der Horror kam im Sommerloch

Laborbericht Von

»Invasion der Nosferatu-Spinne«, »Grusel-Spinne in Heidelberg«, »Wieder giftige Nosferatu-Spinne in NRW aufgetaucht« – in diesem Sommerloch lief im Kopfkino von Medienkonsumenten häufig ein Horror-B-Movie. Hinter dem clickbait findet sich die unspektakuläre Nachricht, dass der aus Südeuropa und Nordafrika stammende, für Menschen ungefährliche Achtbeiner mit dem wissenschaftlichen Namen Zoropsis spinimana wegen des Klimawandels in nördlichere ­Gefilde vordringt. Der Name Nosferatu-Spinne deutet nicht etwa auf einen ­besonderen Blutdurst hin, sondern bezieht sich auf die Rückenzeichnung, die mit viel Phantasie an den Stummfilm-Vampir aus den zwanziger Jahren erinnert.

Kein Grund zur Panik also, falls man nicht gerade an Arachnophobie leidet. Auch aus ökologischer Sicht ist der Neuzugang offenbar unbedenklich. Damit benimmt er sich besser als viele andere Organismen, die sich durch mensch­liches Zutun rund um den Planeten verbreitet haben und in ihren neuen ­Habitaten oftmals eine Wirkung entfalten wie Godzilla in Tokio. Nur in diesem Fall spricht man übrigens von »invasiven Arten«.

Besonders gefährdet sind isolierte Ökosysteme, etwa Inseln oder auch ein abgelegener Kontinent wie Australien, dessen Beuteltierfauna es schwer hat, sich gegen all die Katzen, Ratten und sonstigen »höheren« Säugetiere zu behaupten, die von den Europäern eingeschleppt wurden. Resilienter sind Flora und Fauna zumeist in Großregionen, in denen seit jeher ein reger Artenaustausch stattfindet, wie etwa zwischen Afrika, Eurasien und während der Eiszeiten auch Nordamerika.

Sorgen bereitet hierzulande manches einwandernde Kleingetier, insbesondere tropische Stechmücken, die sich in unseren wärmer werdenden Gefilden wohlfühlen und Krankheiten übertragen können. Prominentere Vertreter der sogenannten Neofauna wie etwa die Nandus erweisen sich hingegen oft als weniger problematisch; dennoch dürfen die aus Südamerika stammenden Laufvögel, die nach dem Ausbruch aus einer Zucht im Jahr 2000 eine Population an der Landesgrenze von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gründeten, seit 2020 bejagt werden. Nicht aus ökologischen Gründen, sondern weil sich Bauern über Flurschäden beklagten.

Ohnehin scheint die Einstufung als invasiv oft interessengesteuert – selbst das sehr auf den Schutz seiner einzigartigen Vogelwelt bedachte Neuseeland etwa käme kaum auf die Idee, die lukrative Schafzucht zu verbieten, die großflächig Lebensräume zerstört. Und es ist auch etwas absurd, dass ausgerechnet unsere hochinvasive Spezies dar­über entscheidet, welche Arten unerwünscht sind und welche nicht. Eine weitere Spinne, die einen im Keller erschreckt, ist jedenfalls deutlich weniger Grund zur Beunruhigung als der Homo sapiens, der seit seiner Auswanderung aus Afrika den gesamten Planeten in ein ökologisches Krisengebiet verwandelt hat.